April 2012
Liebe Leserinnen und Leser!
In den vergangenen Wochen kam ich einerseits nicht recht zum Lesen, andererseits hatte ich ein paar ziemlich dicke Brocken angefangen und bin da immer noch dran.
Mary Hoffman: Stravaganza – City of Masks. 2002.
Das ist der erste Band einer Jugendbuch-Reihe, die mir von einer Freundin empfohlen wurde.
Zum Buch: Wir befinden uns in einer Art Parallelwelt: Die Stadt Bellezza ähnelt Venedig im 16. Jahrhundert, doch sie wird von einer Frau regiert, die sich bislang noch gegen die feindliche Übernahme durch einen mächtigen Clan wehren kann, der inzwischen fast das gesamte übrige Oberitalien beherrscht. Alchimie ist einer der Hauptwissenschaften, eine Art funktionierende Magie. Der innigste Wunsch der fünfzehnjährigen Arianna von den Inseln ist es, Gondoliere zu werden, und so schleicht sie sich in die Stadt. Dabei trifft sie auf den gleichaltrigen Lucien – doch der kommt aus dem heutigen London, auf magische Weise durch Zeit und Raum transportiert. Menschen, die so etwas können, werden Stravaganten genannt, Wanderer zwischen den Welten.
Das Konzept ist interessant und wird von der Autorin in den Folgebänden mit anderen italienischen Städten und weiteren Protagonisten aus beiden Welten fortgesetzt, wobei die verbindende Klammer offenbar der Kampf einzelner und der Stadt Bellezza gegen den mächtigen Clan ist. Es las sich auch durchaus zügig; was zumindest im ersten Band nicht ganz so gelungen ist, sind die Spannungsbögen, die jeweils zu kurz sind, um die Handlung insgesamt zu tragen. Ich glaube nicht, daß es daran liegt, weil die Reihe sich eher an 12- bis 14jährige wendet; aber vielleicht legt die Autorin später noch zu. Wegen der Atmosphäre und vieler origineller Ideen zu der Parallelwelt und dem Weltenwandern hat es mir jedoch Spaß gemacht, diesen ersten Band zu lesen.
Deutschsprachige Ausgabe:
Mary Hoffman: Stravaganza – Stadt der Masken. Übersetzt von Eva Riekert. Arena, 2003.
Walter Moers: Die Stadt der träumenden Bücher. Piper, 2004.
Das ist noch eins meiner Weihnachtsbücher. Achtung, es handelt sich nicht um den ganz neuen von Moers (der heißt Das Labyrinth der träumenden Bücher – ärgerlich, solche Titelgleichheiten!), sondern um einen älteren Zamonien-Roman. Sozusagen mein erster Moers, wenn man von den Comics absieht! Schön schräg und sehr buchbegeistert, mit kleinen ironischen Seitenhieben auf unseren aktuellen Literaturbetrieb – dem sich der Autor übrigens vollständig entzieht, er gibt keine Lesungen und es läßt sich noch nicht mal ein aktuelles Foto von ihm finden … ich wußte nicht, was mich im Buch erwartet. Nach den ersten Seiten war mir klar: Das ist Fantasy, ganz traditionell erzählt (der Ich-Erzähler wendet sich oft an seine Leser), aber es hatte auch genau die richtige Portion Witz und Ironie und das richtige Tempo, daß ich flott weitergelesen habe. Ach, und wie er die Bücher und das Lesen und das Schreiben und Dichten liebt!
Zum Buch: “Träumende Bücher” sind diejenigen, die im Laden auf Käufer und Leser warten, sei es frisch gedruckt oder antiquarisch. Und die Stadt Buchhaim besteht eigentlich nur aus Antiquariaten (hin und wieder ein Lokal, in dem vorgelesen wird, und natürlich auch Hotels für die Fans), jedenfalls oberirdisch. Darunter erstreckt sich ein riesiges Höhlensystem, in dem es geheime und nicht so geheime Lagerräume für Bücher gibt, in dem sich frühere Herrscher mitsamt ihrer kostbaren Bibliothek haben bestatten lassen, in dem Bücherjäger nach wertvollen Bänden suchen und dabei nicht nur gegeneinander, sondern auch gegen die heimtückischen Fallen und die schrecklichen Monster kämpfen, und mitunter auch gegen die gesuchten Bücher selbst. In diese Stadt und dieses Labyrinth gerät der junge Dichter und Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz auf der Suche nach dem Autor eines perfekten Manuskripts, das Hildegunst von seinem Dichterpaten vererbt wurde …
Gut, es gab ein paar Längen und hin und wieder das Gefühl der Wiederholung, aber für mich war insgesamt die Balance zwischen witziger und spannender Handlung und der großen, großen Bücherliebe gelungen, ich hab mich amüsiert und ich werde bestimmt auch weitere Werke aus Zamonien lesen (die Walter Moers natürlich nicht selbst schreibt, sondern nur übersetzt!). (Übrigens stammt der Ausdruck “schwarzer Gürtel in Rechtschreibung” auch von Moers, aus einem Kleines-Arschloch-Cartoon – jedenfalls hab ich das daher. Quelle, wem Quelle gebührt!)
Agatha Christie: Poirot Investigates. 1924.
Elf frühe Poirot-Geschichten, die – wie ich gerade aus der englischsprachigen Wikipedia lerne, zuerst als Serie 1923 für ein britisches Wochenmagazin geschrieben wurden. Hier wird, insbesondere wenn man sie kurz hintereinander liest, das Gespann Poirot und Hastings etabliert: der geniale Detektiv mit allerlei Macken, der immer recht hat, und sein Freund und Wohngenosse, ein bißchen eitel, aber nicht aufmerksam und nicht mißtrauisch genug, um die Fälle zu lösen. Die Parallelen zu Sherlock Homes und Dr. Watson sind unübersehbar: Die Hilfesuchenden, darunter auch die Polizei und hochrangige Persönlichkeiten, tauchen im Wohnzimmer der beiden Spürnasen auf und tragen ihr Anliegen auch gern schon mal morgens zum Frühstück vor (wobei bei Christie “Frühstück” oder “Tee” eher als Zeitangabe denn als sinnliches Element erscheinen). Oft begeben Poirot und Hastings sich zum Tatort, auch außerhalb der Stadt, und nehmen die Ermittlungen auf. Allerdings werden die geneigten Leserinnen und Leser nicht immer in alle Beobachtungen oder Assoziationen von Poirot eingeweiht und tappen daher wie Hastings bis zum Schluß im Dunkeln. Es geht um zwei Juwelen- und einen Aktiendiebstahl, mindestens vier Morde, mindestens einen Spion, eine Entführung, eine Veruntreuung und ein verstecktes Testament – nette, nostalgische Lektüre für zwischendurch oder vorm Einschlafen.
Deutsprachige Ausgabe:
Agatha Christie: Poirot rechnet ab. Übersetzt von Ralph von Stedman. Desch, 1959.
Derzeit in Arbeit:
Reisebeschreibungen, Essaybände, alte deutsche Science Fiction, Filmbücher, was über Sprache, Gedichte, Bücher von KrimikollegInnen, dies und das – und ich hab mir Breakfast at the Exit Cafe bestellt, das inzwischen auch eingetroffen ist, und dann werde ich wahrscheinlich alles andere erst mal liegenlassen und das lesen!
Kategorien: Erlesenes | Schlagwörter: Agatha Christie, Fantasy, Krimi, Mary Hoffman, Walter Moers | Kommentare deaktiviert