März 2012

31. März 2012

Liebe Bücherverschlingenden,

hier die Lesebeute des Monats:

 

Heilwig von der Mehden: Alles in schönster Unordnung. Herder, 1986.

Dies sind Kolumnen, die lange Jahre in der Brigitte erschienen sind und später in mehreren Sammelbänden veröffentlicht wurden, und auch die verlaufen in etwa parallel zu meiner Teenagerzeit. Alltagsleben aus Frauensicht – vielleicht heute manchmal ein bißchen brav oder leicht angestaubt, aber alles in allem keineswegs überholt. Und immer noch lustig zu lesen. (Auch gute Klolektüre, natürlich.)

 

Guy Cullingford: Post Mortem. 1953.

H. R. F. Keating empfahl diesen Krimi in seiner Liste der hundert besten, und weil er mir unlängst zufällig über den Weg lief – also der Krimi, nicht Keating, der ist neulich leider gestorben, aber ein lieber Kerl war er! -, hab ich ihn mir als Nachtlektüre hingelegt.

Zum Buch: Da ermittelt nämlich ein Schriftsteller nach seinem Tode, wer aus seiner Familie ihn ermordet hat. An sich originell, damals jedenfalls, und bestimmt auch gut geschrieben und übersetzt; nur fällt es mir wahnsinnig schwer, mit einer unsympathischen Hauptfigur umzugehen, die auch alle anderen Figuren im Buch nicht sonderlich mochte. Auch durch die Häppchenlektüre mit müden Augen zog sich die Sache hin wie Kaugummi, das kann ich also gar nicht empfehlen (das Häppchenlesen dieses Buches).

Die britische Autorin Guy Cullingford hieß eigentlich Constance Lindsay Taylor (1907-2000) und veröffentlichte zwischen 1948 und 1991 ein Dutzend Krimis, die entweder hochgelobt wurden (außer Post Mortem auch noch Conjuror’s Coffin, sie sind wohl auch alle ins Deutsche übersetzt) oder für gähnende Langeweile sorgten. Normalerweise finde ich solch unterschiedliche Bewertungen ja richtig faszinierend, besonders wenn es heißt, daß die Betreffenden nicht (krimi-)plotten könnten – aber, hm, offenbar ist nicht jedes dieser Bücher auch für mich geschrieben worden.

Deutschsprachige Ausgabe:
Guy Cullingford: Die Katze läßt das Mausen nicht. Übersetzt von Stefanie Neumann. Desch, 1962. / Post mortem. Neu übersetzt von Helmut Degner und Peter Naujack. Diogenes, 1977.

 

Eva-Maria Zurhorst: Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest. Goldmann, 2004.

Yepp, ich les auch solche Bücher, selbst wenn sie mich aktuell gar nicht betreffen. Ich weiß jetzt nicht, warum dieser Ratgeber in der Reihe “Arkana” erschienen ist; ich fand so ziemlich alle Beobachtungen und Ratschläge der Autorin handfest und überaus weltlich. Der Titel beschreibt eigentlich alles; vielleicht sollte man noch ergänzen, daß die Autorin von sich aus das “egal” auf “etwa siebzig Prozent” einschränkt, manche Ehen oder Langbeziehungen sind wirklich nicht für die Ewigkeit gedacht. Ich habe aus dem Buch einiges für mich mitgenommen, mich in vielem bestätigt gefunden, und ich glaube, es könnte einigen Menschen (auch Singles) durchaus weiterhelfen.

 

Barbara Hambly: The Silent Tower. 1987.

Der Erzählstil von Barbara Hambly war und ist es, was mich immer wieder zu ihren Büchern hinzieht. Sie schreibt Fantasy und seit ein paar Jahren auch historische Krimis (die ich aber noch nicht kenne). Die Lektüre ist allerdings kein Zuckerschlecken: In ihren Büchern herrscht ein grimmiger Realismus, was die Beschreibungen ihrer Fantasy-Alltagswelten angeht, und sie schreckt auch nicht davor zurück, Inqusitionsfolter und Monster mehr als genau und vorstellbar zu schildern. Ihre Figuren sehen sich auch stets überwältigender Probleme gegenüber (manchmal sieht es vergleichsweise einfach aus, den Einen Ring in den Schicksalsberg zu werfen), und sie kämpfen nicht nur gegen schleimige Monster, sondern auch gegen sehr echt wirkende Depression und Erschöpfung … Das kann ich nicht immer lesen. Dennoch ist es immer spannend und toll erzählt.
Und obwohl Hambly Mediävistik studiert hat, siedelt sie ihre Fantasywelten eher in frühindustriellen Zeiten an, vergleichbar unserer Welt um 1800. Es wird gezaubert, aber es wird auch mit Pistolen geschossen und in Fabriken gearbeitet. Und eine Besonderheit haben die meisten ihrer Romane darin, daß unsere Jetztwelt (bzw. Südkalifornien in den 1980ern) ebenfalls auftaucht, die Figuren wechseln auf magische Weise durch die Dimensionen. Da müssen sich Zauberer mit Computern herumschlagen und Automechaniker mit Vampirfledermäusen aus wieder anderen Dimensionen; und die Frauenfiguren sind häufig Kriegerinnen oder Bischöfinnen. Neben all den üblichen Unsympathen gibt es aber immer ProtagonistInnen, die in all ihrer Gebrochenheit sehr liebenswert sind, und weil man eben wissen will, ob und wie sie es bis zum Ende des Buches schaffen (manche tun es auch nicht), hechelt man durch die Seiten und leidet mit ihnen und darf sich auch mal freuen.

Deutschsprachige Ausgabe:
Barbara Hambly: Der Zauberturm (Die Chroniken von Windrose 1). Übersetzt von Eva Bauche-Eppers. Bastei-Lübbe, 1994.

 

Barbara Hambly: The Silicon Mage. 1988.

Hambly schreibt nicht nur Tri-, sondern auch Duologien, und das ist der zweite Teil des Fantasyromans, von dem ich vorher schon berichtete.

Zum Buch: Zum Inhalt hatte ich bei dem anderen quasi nichts erzählt, daher nun für beide: Ein Magier, ein Krieger und eine Programmiererin decken den Plan eines bösen Magiers auf, sich mithilfe eines Computers unsterblich zu machen. (Manche Magier können nämlich zwischen unserer Welt – Kalifornien, Mitte der 1980er – und ihrer eigenen Fantasywelt hin- und herwechseln.) Das wollen sie selbstverständlich verhindern, nur gibt es einige Probleme. Der gute Magier sitzt erst im Verlies und ist dann auf der Flucht, außerdem gilt er als verrückt und wird von den anderen ohnehin mit Mißtrauen betrachtet. Der Krieger ist eigentlich auf die Magier eingeschworen, sie zu schützen, aber nachdem klar geworden ist, daß der böse Magier sich lange in den Körpern anderer aufgehalten hat, unter anderem in dem des Erzmagiers, der auch der Großvater des Kriegers war, also nachdem das klar geworden ist, zweifelt der junge Krieger an seinen Überzeugungen, um so mehr, als er sich auch noch in die Frau des Kronprinzen verliebt. Und die Programmiererin glaubt erst mal nicht an die Magie, außerdem wurde sie in die Fantasywelt entführt und kann nur mithilfe des verrückten Magiers zurück, und dann übernimmt der böse Magier auch noch den Körper ihres Exfreundes, der ebenfalls Programmierer war und geholfen hat, dem Computer zu stehlen und zu programmieren …

Ihr seht, massig Verwicklungen und Action! Aber auch viel Alltagsleben, besonders in der Fantasywelt, viele sinnliche Kleinigkeiten (Wetter, Reisebeschwernisse, Kleidungsfragen), die unserer Zeit um etwa 1800 nachempfunden sind (bis hin zu Lochkarten für Jacquardwebstühle und die unzumutbaren Arbeitsbedingungen in den Webfabriken!). Und es geht irgendwie gut aus, aber eben auch nur irgendwie.

Deutschsprachige Ausgabe:
Barbara Hambly: Der Megabyte Magier  (Die Chroniken von Windrose 2). Übersetzt von Eva Bauche-Eppers. Bastei-Lübbe, 1994.

 

Sarah Waters: Tipping the Velvet. 1998.

Zum Buch: Kein Krimi, keine Fantasy – sondern die Geschichte einer jungen Frau, die Ende des 19. Jahrhunderts vom Fischmädchen (ihre Familie fischt Austern in der Themsemündung und verkauft sie im eigenen Imbiß) erst zum Star der music halls aufsteigt und dann das Leben der unteren Schichten in London erfährt. Nancy verliebt sich in die junge Sängerin Kitty, die in der music hall von Canterbury als Mann verkleidet auftritt (aber alle wissen, daß sie eine Frau ist). Mit ihr geht sie nach London und wird selbst zum gefeierten Bühnenstar, ebenfalls als Mann verkleidet. Nur im Geheimen können die beiden sich lieben, wobei Kitty stets die Entdeckung fürchtet. Deshalb auch heiratet sie ihren Agenten – und Nancy verläßt sie Hals über Kopf, tief verstört und voller Zorn. Nach reichlich Wirren findet Nancy aber doch ungeahnt eine neue Liebe.

Das ist ein Debütroman und hat vielleicht ein paar strukturelle Schwachpunkte, aber ich hab ihn innerhalb von vier Tagen verschlungen. Es ist nicht nur eine Entwicklungs-, sondern auch eine Abenteuergeschichte, deren Wendungen mich immer wieder überrascht haben. Ich fand es auch spannend, vom Londoner Leben zu lesen (vermutlich à la Dickens, aber ich gestehe, noch keinen einzigen Dickens gelesen zu haben!), obwohl der Roman natürlich aus hundert Jahren Entfernung darauf zurückblickt. Und die unterschiedlichen Lebensentwürfe lesbischer Frauen unter diesen Bedingungen waren auch interessant, wobei ich es jedoch noch faszinierender fand, wie schön und sexy ihr Umgang miteinander beschrieben wurde (und wurscht, wie realistisch oder unrealistisch das ist), ja auch der Sex: einfach schöne Sprache!

Deutschsprachige Ausgabe:
Sarah Waters: Die Muschelöffnerin. Übersetzt von Susanne Amrain. Daphne, 2002.

 

Aktuelle Lektüre:

Derzeit habe ich folgende Bücher in Arbeit, komme aber jeweils nur langsam voran: frühe Poirot-Stories von Agatha Christie (sehr frühe, merkt man auch), ein Krimi von Gladys Mitchell (aus der frühen Nachkriegszeit, spielt in Winchester; nicht schlecht, aber ich komm irgendwie nicht rein), Deutsch von Wolf Schneider (unverzichtbar für guten Schreibstil, auch wenn der Autor in einer reinen Männerwelt lebt, grrr) sowie deutschsprachige Science-fiction-Geschichten aus etwa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (wortschatzerweiternd! und sehr skurril).

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