Januar 2012

31. Januar 2012

Frohe Leserinnen und Leser,

es läßt sich hin und wieder nicht vermeiden, ein Buch über einen längeren Zeitraum hinweg zu lesen, entweder weil es dick ist oder weil man wenig Zeit hat, öfter jedoch, weil dieses Buch eine bestimmte Atmosphäre verlangt, eine besondere Tages- oder Nachtzeit oder einen Ort oder die innere Bereitschaft, sich genau jetzt auf Abenteuer, Mord, Liebe oder Schwieriges einzulassen. (Und manchmal, wenn die Pause zu groß geworden ist, muß man von vorn anfangen. Und das Buch kommt einem seltsam unbekannt vor!) Hier also die länger oder kürzer gelesenen Bücher , die in diesem Monat „fertig“ wurden:

 

Dick Francis: Decider. 1993. / Rat Race. 1970. / Comeback. 1991.

Ich sag jetzt nix mehr dazu, daß ich die anfallsweise lese. Aber ich mach dann auch mal eine Francis-Pause. :-)

Zu den Büchern: Als Decider tritt ein Architekt auf, der eine Rennbahn mitsamt der Erbengemeinschaft, der sie nun gehört, vor dem Ruin bewahrt. (Wer jemals Kontakt mit Erbengemeinschaften hatte, weiß nur zu gut, wie ein Krimi daraus werden kann.) Daneben hütet er seine Kinderschar, fünf Jungs, während seine Frau die Zeit woanders verbringt. Mal abgesehen von der spannenden Frage, wer von den Erben die Anschläge begeht, fand ich hochinteressant, wie der Architekt lebt: Er sucht sich halb verfallene Gebäude aus, kauft sie und baut sie eigenhändig um zu Wohnhäusern und Pubs, während er selbst mit Familie darin wohnt. Sind die Gebäude fertig, zieht er weiter. Genau das wünschte ich mir von allen Architekten: daß sie in den Gebäuden, die sie entwerfen, auch tatsächlich wohnen oder arbeiten, und zwar mindestens ein Jahr! Im Laufe der Jahreszeiten würden sie nämlich ganz praktisch herausfinden, ob ihre Entwürfe auch wirklich was taugen. (Ich erinnere mich mit Grausen an eigenartige Beleuchtungs- und Belüftungskonstruktionen in Büros, in denen ich gearbeitet habe, und passive Temperaturregelung in Wohnhäusern ist ein Kapitel für sich!) Vermerken bleibt noch zu Decider, daß der Architekt seine Eheprobleme auf sehr unkonventionelle Weise löst – ich wünschte, mehr Romanfiguren und reale Menschen würden diesen Mut aufbringen.
In Rat Race wird weniger gerannt als geflogen, nämlich Lufttaxis zu Rennveranstaltungen, und der Held ist Pilot und hat mit Pferden anfangs nix im Sinn. Dann verliebt er sich in die Schwester eines Starjockeys, die ebenfalls fliegt (und die er auch mal retten muß – in der Luft). Ein früher Francis und in der Handlung geradliniger als die späteren, aber wie alle seine Romane voller ungewöhnlicher Figuren mit überraschenden Aspekten.
In Comeback wird ein junger englischer Diplomat zurück nach England versetzt, aber bevor er seine neue Stelle im Auswärtigen Amt antritt, muß er erst mal eine Veterinärspraxis retten. Ich muß gestehen, daß ich schon nach kurzer Zeit nicht mehr weiß, wie der Plot genau ging, aber das ist bei Francis ja auch ganz unerheblich (er ist sauber gemacht; anderes wär mir sicherlich in Erinnerung geblieben). Ich hab was über das Operieren von Pferden gelernt und viel Pharmazie und Labortechnik, ich mochte natürlich die Hauptfigur, und ich hab einige gemütliche Lesestunden verbracht. Kann ich so nicht von allen Büchern sagen!

Deutschsprachige Ausgaben:
Dick Francis: Lunte. Übersetzt von Malte Krutzsch. Diogenes, 1995. // Air-Taxi ins Jenseits. Übersetzt von Heinz F. Kliem. Ullstein, 1970. / Rat Race. Neu übersetzt von Michaela Link. Diogenes, 1998. // Comeback. Übersetzt von Malte Krutzsch. Diogenes, 1993.

 

Laurence Cossé: Au bon roman. 2009.

Nach den enthusiastischen Lobreden meiner Buchfreundinnen mußte ich dieses Buch natürlich ganz unbedingt haben. Seltsam, daß ich dann nach der Lektüre der ersten Handvoll Seiten eine längere Pause einlegte. Vielleicht war ich ein bißchen enttäuscht von dem Buch, oder genauer gesagt: Ich hatte offenbar etwas anderes erwartet. Ich erwarte ja immer das für mich ultimative Buch, mit allem … Nun habe ich es fast in einem Rutsch ganz gelesen, mit nur einer kurzen Unterbrechung an einem emotional bewegenden Punkt in der Handlung. Und auch wenn ich mir das Ende anders gewünscht hätte (ohne zu wissen, wie ich es mir nun gewünscht hätte!), es ist ein handlungslogisches Ende (und auch die besondere Rolle, die das Datum meines Geburtstags dabei spielt, kann ich nicht krumm nehmen). Im Grunde ist es ein phantastischer Roman (ein bißchen Krimi, ein bißchen Feuilleton), denn so möglich die Handlung sein kann, so wenig wird sie wohl wahrhaftig in der Realität stattfinden.

Zum Buch: Zwei Literaturbegeisterte eröffnen in Paris die Buchhandlung, von der sie schon immer geträumt haben. Darin gibt es nur gute Romane, egal wann und wo die erschienen sind. Die Idee zieht nicht nur überraschend viele andere Begeisterte an, sondern auch Neider, und schon bald gibt es Hetzkampagnen und sogar Anschläge … Und es gibt mehrere sehr melancholische Liebesgeschichten. Und natürlich ganz viele echte Bücher!

Ich glaube, ein solcher Roman kann nur aus Frankreich kommen, jedenfalls habe ich den Eindruck, daß die französischen SchriftstellerInnen viel unbekümmerter und souveräner mit einer gewissen Irrealität umgehen können als etwa deutsch(sprachig)e, und vor allem läßt das Lesepublikum dies offenbar nicht nur zu, sondern findet es auch noch gut, und überhaupt haben sie weniger Angst vor Elitärem. Ob das Buch in unserem Lande der Dichter und Denker (vermutlich sind da die Frauen sowie die deutschsprachigen SchweizerInnen und ÖsterreicherInnen eingeschlossen) Erfolg hat, wage ich zu bezweifeln. Aber er wird sicher einigen Menschen viel Freude machen; vielleicht verwirklicht ja doch irgendwer seinen oder ihren Traum? *hoff*

Deutschsprachige Ausgabe:
Laurence Cossé: Der Zauber der ersten Seite. Übersetzt von Doris Heinemann. Limes, 2010.

 

Agatha Christie: Hercule Poirot’s Christmas. 1938.

Weil ja Weihnachten drohte, hatte ich ausnahmsweise auch mal Lust auf einen Krimi, in dem so richtig schön englische Weihnacht gefeiert wird, und so griff ich zu diesem. Jedoch – Fehlanzeige!

Zum Buch: Das einzig Weihnachtliche war, daß sich eine Familie mehr als vollzählig versammelte, was ja auch im wirklichen Leben durchaus zu Mord und Totschlag führt. Es ist also ein typischer Agatha-Christie-Landhaus-Häkelkrimi, Untergattung locked room mystery, komplett mit dem unverdächtigen Mörder. Ich fand ihn ein bißchen lieblos runtergeschrubbt, aber das kann daran liegen, daß ich immer noch auf was Weihnachtliches hoffte. Daraus hätte sie meiner Meinung nach schon mehr machen können!

Deutschsprachige Ausgabe:
Agatha Christie: Hercule Poirots Weihnachten. Scherz, 1961. (Wer das Buch übersetzt hat, bleibt ein Geheimnis. Immerhin ist 1993 in der 16 Auflage die Übersetzung mal „überarbeitet“ worden – vermutlich um die vorher gekürzten Teile ergänzt.)

 

Sujata Massey: The Floating Girl. 2000.

Die Autorin ist zwar US-Amerikanerin indischer Herkunft, ihre Hauptfigur in dieser Serie jedoch eine junge Frau halb japanischer, halb US-amerikanischer Abstammung.

Zum Buch: Rei Shimura lebt jetzt in Japan (so wie es die Autorin einige Jahre lang tat), dessen Kultur ihr häufig unbekannt oder unverständlich ist, sucht und kauft Antiquitäten für ihre Kunden und schreibt für eine Ausländerzeitschrift darüber. Nun will die Zeitschrift auf den Manga-Boom aufspringen, und Rei soll darüber vor dem Hintergrund traditioneller japanischer Kunst schreiben. Dazu muß sie sich aber in das ihr gänzlich unbekannte Thema erst mal einarbeiten, wobei ihr der aktuelle Geliebte gerne hilft. Auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Manga-Zeichner gerät Rei in zwielichtige Etablissements und an die Yakuza. Aber es ist alles viel braver, als es klingt; und abgesehen davon, daß man durchaus eine kurze Einführung in die Manga- und Cosplayer-Szene erhält, fand ich Figuren und Handlung nicht so richtig überzeugend und den Erzählstil zu unbedarft, und genauso ist es mir schon mit dem ersten Band der Serie ergangen. Schade – eine Annäherung an eine so fremde Kultur wie die (moderne) japanische hätte mit einer zwischen den Welten stehenden Figur wie Rei Shimura spannend sein können. (Warum auf dem Cover Kois und Perlen abgebildet sind, weiß ich auch nicht; das sind Themen in anderen Teilen der Serie und kommen in diesem Buch nicht vor.)

Deutsche Ausgabe:
Sujata Massey: Tödliche Manga. Übersetzt von Sonja Hauser. Piper, 2003.

 

Aktuelle Lektüre:

Enterprise, wie gehabt. Und immer noch das Schlafmittel vorm Einschlafen.

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