März 2013

31. März 2013

 Werte Buchrunde,
diesmal ist es wieder etwas gemischter bei mir, was Themen und AutorInnen angeht!

Fanny Morweiser: O Rosa. Diogenes, 1983.
Die Morweiser steht bei mir unter „Krimi“, aber eigentlich steht sie da falsch. Sie schreibt eher so irgendwas zwischen Belletristik und gothic (von der Sorte „Unheimliches zur Mittagsstunde“), Krimielemente kommen, wenn überhaupt, nur ganz am Rande vor.
Zum Buch: In diesem Roman jedenfalls überhaupt nicht. Es geht um ein pubertierendes Mädchen, das Streß mit seiner alleinerziehenden Mutter hat und sich lieber mit ein paar schrägen Freunden beschäftigt und auch deren Nachbarn kennenlernt. Im Grunde aber ist sie nur ein verbindendes Element zwischen mehreren Lebensgeschichten. Das ist alles sehr liebevoll erzählt und auch genau, trotz der Kürze; es gelingt Morweiser wunderbar, mit wenigen Strichen genau das Lebensgefühl Ende der Siebziger zu charakterisieren, und wir lernen auch Heidelberg von einer nichttouristischen Seite kennen.
Auf die Autorin wurde ich wegen des Covers eines ihrer anderen Bücher aufmerksam (dazu aber irgendwann später mehr) und hab auch alles von ihr gelesen; eine ganz besonders große Freude war es für mich, als ich sie 2001 während der Criminale in Mosbach am Neckar sogar bei sich zu Hause besuchen konnte. Sie ist eine ganz zarte und schüchterne und unmittelbar liebenswerte Frau und zeichnet und malt auch.

Lale Andersen: Wie werde ich Haifisch. Schneekluth, 1969.
Ich hatte ja angekündigt, daß ich aus meinen eigenen (belletristischen) Beständen nun alphabetisch Werke deutschsprachiger Autorinnen lesen wollte. Dies ist das erste aus dieser Reihe, die leider wohl nicht sehr lang werden wird, und es ist sicher auch eine Überraschung für Euch. Das kommt daher, daß ich aus Platzgründen einiges unter „Literatur“ stelle, was sonst wohl eher in Kategorien wie „Sachbuch“, „Memoiren“, „Reiseliteratur“, „Biographie“, „Comic“ eingeordnet würde. (Die beste Zufallsnachbarschaft, die in meinem Regal derzeit besteht, ist wohl diese: Erich Loest – Robert Ludlum – Lurchi Salamander!) Gut, also macht nun Lale den Anfang. Sie hieß natürlich nicht wirklich „Lale Andersen“, aber unter diesem Namen ist sie als Sängerin bekanntgeworden – „Lili Marleen“ war das erste Lied, das millionenmal verkauft wurde. Danach wurde sie viel gefragt, wie man Schlagersänger wird, und als Antwort darauf hat sie dieses Büchlein geschrieben.
Zum Buch: Es ist teils Ratgeber (wobei die Ratschläge wohl schon lange nicht mehr nützen), teils autobiographisch, und sie macht das ganz nett, plaudert so vor sich hin. Drumrum finden sich in der Schneekluth-Ausgabe lustige Zeichnungen, die bestimmt heutzutage als frauenfeindlich angesehen werden können, auch wenn die Strichführung noch schön den Schwung der Sixties an sich hat.
Okay, okay, es ist keine literarische Literatur, aber es machte mir durchaus Lust, auch Andersens eigentliche Autobiographie Der Himmel hat viele Farben mal zu lesen.

Dik Browne: Hägar der Schreckliche – der große Hägar-Superband. Goldmann, 1985. (Ohne Angabe von Originaltitel und Übersetzer)
Trotz einem gewissen Zeitgeistigen und trotz der teilweise nicht so gelungenen Übersetzung: Hägar find ich klasse, diesen anarchistischen, gefräßigen und kindlichen Wikinger, und auch seine Frau Helga, Tochter Honi, Sohn Hamlet, den Assistenten Sven Glückspilz und die restlichen mehr oder weniger oft auftauchenden Nebenfiguren. Vieles ist immer noch wie aus dem Leben gegriffen, auch wenn der Autor und Zeichner US-Amerikaner ist. Die kurzen Strips (2-6 Bilder) sind übersichtlich gestaltet, aber dennoch oft voller süßer Kleinigkeiten. Und es ist eine ideale Klolektüre!

Ruth Klüger: Was Frauen schreiben. Zsolnay, 2010.
Ruth Klüger ist Germanistin und hat unter anderem für verschiedene Zeitschriften rezensiert.
Zum Buch: In diesem Band sind 60 ihrer Rezensionen zu Büchern von Frauen (und eine zum Buch eines Mannes) versammelt. Die Rezensionen erschienen ursprünglich zwischen 1994 und 2010 und befaßten sich natürlich mit jeweils aktuellen Werken, und zwar von Schriftstellerinnen aus aller Welt. Das war für mich das eine Tolle, daß ich so einen Einblick erhielt in das literarische Schaffen aus anderen Ländern, als ich bislang meist gelesen habe; das andere Tolle ist auf jeden Fall Klügers Sprache, die ich klar und elegant finde. Mal abgesehen davon, daß ich durchaus viele der von ihr besprochenen Werke auch lesen möchte (wobei ich Harry Potter und den Krimi von Sara Paretsky schon kenne), ich will vor allem mehr von Ruth Klüger lesen, als erstes ihre Essays unter dem Titel Frauen lesen anders. Eine Warnung möchte ich jedoch noch loswerden: Klügers Rezensionen in kleinen Portionen lesen! So hat man/frau auch viiiiiel länger was davon!

Sara Paretsky: Indemnity Only. 1982.
Und wo wir grad bei der Paretsky waren, habe ich ihren Erstling hervorgeholt und nach siebzehn Jahren erstmals wieder gelesen (wobei sie allerdings auch schon zu meiner ersten richtigen Krimilektüre in den späten Achtzigern gehörte).
Zum Buch: Ich finde ihn immer noch spannend, denn es ist ein „schlanker“ und actionreicher Roman. Die Privatdetektivin V. I. Warshawski aus Chicago hat darin ihren ersten Auftritt, und es ist offensichtlich, warum das diesen Boom von PI-Krimis aus Frauenhand ausgelöst hat: Zwar erscheint Warshawski schon eher als unverwüstliche Superfrau in jeder Hinsicht, aber genau das machte sie zu einer ganz neuen Identifikationsfigur – sie zeigte, daß auch Frauen einigermaßen glaubwürdig und tough ermitteln konnten und sich zwischen Bankvorständen und Schlägertypen aus der Unterwelt genauso bewegen konnten wie ihre männlichen Vorgänger. Sie waren auch sehr weiblich mit ihrer Freude an heißen Schaumbädern, Sorge um Figur und Fitness bei Essen und Sport und dem lässigen Umgang mit Sex, und dabei hatten sie auch noch ein gesellschaftlich relevantes Umfeld. Warshawski zeigt hier auch schon, wie kritisch sie der Gesellschaft gegenübersteht, in der sie lebt, wobei ihre Welt nicht schwarz und weiß ist – die Gewerkschaftler sind nicht immer die Guten, die Reichen nicht immer die Bösen, und sie nimmt auch die Benachteiligung von Immigranten wahr. Aber vor allem ist sie feministisch; das ist in diesem ersten Buch noch ein wenig holzschnittartig, wenn der Polizeikollege ihres verstorbenen Vaters ihr vorhält, daß Privatdetektivspielen nichts für anständige junge Frauen sei, oder wenn Warshawski im Büro des Bankenbosses sich nicht wie seine Sekretärin herumscheuchen läßt.
Doch, ich finde das Buch auch heute noch gut und freue mich, daß es auch noch lesbar ist – und das sehr gut.
Deutschsprachige Ausgabe:
Sara Paretsky: Schadenersatz. Übersetzt von Uta Münch. Piper, 1986.

Patricia Moyes: Many Deadly Returns (orig.: Who Saw Her Die? 1970).
Zur Nachtlektüre doch wieder ein Häkelkrimi, diesmal einer aus der „neueren“ Zeit, also nach dem Zweiten Weltkrieg, als rundherum schon der psychologische Krimi blühte. Dennoch schien die Begeisterung für traditionelle „cozies“ oder „Landhaus“-Krimis ungebrochen, und dieser ist ein lupenreiner Rätselkrimi.
Zum Buch: Inspektor Henry Tibbett (Moyes’ Serienfigur) von Scotland Yard wird inoffiziell gebeten, nebst Ehefrau dem Geburtstag einer ehemaligen Gesellschaftskönigin beizuwohnen – weil eben diese Lady Crystal befürchtet, ermordet zu werden. Und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen stirbt Lady Crystal quasi unter Tibbetts Nase. Der ist sofort davon überzeugt, daß es sich um Mord handelt, schließlich erben die drei Töchter mit ihren Ehemännern je ein ordentliches Vermögen; nur läßt sich in keinster Weise belegen, wie genau der Tod herbeigeführt wurde, und die Todesursache war zweifelsfrei eine Allergie – nur: wogegen?
Ich will nun nicht allzu viel verraten, außer daß die Teile, die mir am konstruiertesten erschienen, tatsächlich diejenigen waren, die auf einem wahren Fall beruhen. Ansonsten fand ich, daß das Buch einige Längen durch vielleicht unnötige Wiederholungen hatte, aber insgesamt war es doch eine nette Lektüre, und von dieser Autorin hatte ich vorher noch nichts gelesen.
Deutschsprachige Ausgabe:
Patricia Moyes: Ein Duft von Mord. Übersetzt von Maria Lampus. Scherz, 1972.

Damian Thompson: Books Make a Home. 2011.
Das ist natürlich in erster Linie ein Bildband mit Fotos aus durch und durch designten und ungewöhnlichen Wohnungen in England und einigen Metropolen (Amsterdam, Paris, New York), und ganz bestimmt hat niemand, den ich kenne, auch nur annähernd eine ähnliche Bude! Thompson geht aber es darum zu zeigen, daß Bücher nicht nur alphabetisch in Regalen stehen können. Man kann mit ihnen gestalten – sei es eine Ecke, eine Wand oder ein ganzes Zimmer -, indem man ihre Farben oder ihre Formate nutzt, man kann sie „zweckentfremden“ als Unterlagen und Sitzgelegenheiten und Ablagen, man kann auch die Regale ganz unterschiedlich gestalten und einbauen oder anlehnen oder schweben lassen … Das Buch hat durchaus einige Anregungen, mithilfe von Büchern ein wohnliches Zuhause zu schaffen, und es macht schon Spaß, es ab und zu in die Hand zu nehmen und die Vorschläge Revue passieren zu lassen. Interessant fand ich, daß es nach Zimmern (inkl. Flur) aufgeteilt ist und sogar das Bad berücksichtigt. Nur leider kann ich selbst fast nichts davon verwenden; es mangelt mir nicht nur an am ungewöhnlich gestalteten Heim, sondern ich hab auch an die siebentausend Bände unterzubringen. Und ganz ehrlich: Wer stellt sich Bücher in die Küche, die alle gleich groß und in einheitliches graues Papier eingeschlagen sind, damit sie zur Kücheneinrichtung passen? (In der sicherlich eh nie gekocht und gegessen wird, so wie sie aussieht.)
Deutschsprachige Ausgabe:
Damian Thompson: Wohnen mit Büchern. Übersetzt von Brigitte Beier. Gerstenberg, 2012.

Martha Grimes: Send Bygraves. 1989. / Mit Schirm und blinkender Pistole. Übersetzt von Irmela Brender. Rowohlt, 1993.
Grimes hat mal gesagt, daß sie zuerst Gedichte geschrieben hat, und als sie feststellte, daß in ihren Gedichten so viele Krimielemente auftauchten, wechselte sie zum Roman. Dieser Band startet mit ihrem ersten Krimigedicht, und die weiteren sind so gruppiert, daß sie zusammen fast eine Krimihandlung ergeben. Fast – denn sie lassen meiner Ansicht nach mehr als eine Interpretation zu. Grimes amüsiert sich vor allem damit, typische Elemente des Rätselkrimis mit unterschiedlichen Gedichtformen zu kombinieren, und heraus kommt natürlich eine Persiflage. Liest man diesen „lyrischen Krimi“ neben ihrem Erstling, The Man With a Load of Mischief, ergeben sich weitere Parallelen (bis hin zu Figuren und Namen), und es wird deutlich, wie Grimes auch in dem Roman das Subgenre Rätselkrimi parodiert und persifliert. Bygraves ist ein geheimnisvoller Scotland-Yard-Inspector, der nur indirekt auftritt – und ist er vielleicht sogar selbst der Mörder? Die Übersetzerin Irmela Brender hantiert geschickt mit dem Material von Ausgangs- und Zielsprache – aber das hatte ich hatte auch von ihr erwartet, denn ich kannte sie als Verfasserin zweier „biographischer“ Bücher über Miss Marple und Pater Brown (in der leider viel zu kurzen Reihe des Poller-Verlags über berühmte KrimiheldInnen); sie ist Schriftstellerin und Übersetzerin, besonders von Kinder- und Jugendbüchern, aber auch vielen Krimis.
Ich habe die (sehr schön gestaltete und illustrierte) englische und die deutsche Ausgabe parallel gelesen, weswegen ich zwar ein bißchen den Faden der Handlung (sofern eine vorhanden ist) verloren habe, dafür aber um so mehr die Übersetzung würdigen konnte. Leider ist die deutsche Ausgabe nur ein Taschenbuch und ein bißchen nachlässig gemacht (zum Beispiel wurden Strophen vertauscht), aber ich nehme an, sie hat viele der Grimes-Fans, die sie gekauft haben (ist immerhin ins 60. Tausend gegangen, das ist für Lyrik nicht so üblich), auch viel Spaß gemacht. Das Subsubgenre des Krimigedichts existiert im deutschen Sprachraum ja quasi nicht und ist auch eher selten im englischsprachigen; schade eigentlich, ich jedenfalls hätte gern mehr davon.

Aktuell:
Mein Lektüre ist weiterhin recht gemischt: ein Aufsatz darüber, wie groß man als schwarzes Loch wäre, Fantasy um eine Herdhexe, ein heiterer Roman von Mary Scott (der mir doch ein bißchen auf den Keks geht), Kulturhistorisches über Genußmittel und ein US-Gerichtskrimi von 1962 … ich werde berichten.

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