Juli 2013

31. Juli 2013

Liebe Fans jedweder Art von Literatur,
in diesem Monat gemischte Genreliteratur, nämlich Krimi, Science fiction und Fantasy – doch was heißt schon Genre?

3684 (97x150)Leslie Ford: Reno Rendezvous. 1939.
Zunächst hatte ich, da ich ja diesen Vortrag über „Miss Marples Basen“ gehalten hab (leider kam ich nur zu grad einem Viertel davon, den Rest hole ich irgendwann nach), noch einen älteren Krimi fertig gelesen: Rendez-vous in Reno von Leslie Ford. Die Autorin war in den 1930/40ern in den USA sehr bekannt, und mir war zumindest der Name geläufig, auch wenn ich bislang noch nichts von ihr gelesen hatte. Dieses Buch nun umständehalber in der deutschen Übersetzung, und da wurde einem noch mal so richtig vor Augen geführt, daß Originale niemals, Übersetzungen aber sehr wohl altern. Diese Übersetzung ist von Anfang der 1960er, und ich hab mich stellenweise schier weggeschmissen vor Lachen – nicht weil die Übersetzung schlecht gewesen, das nicht, aber eben mit dicker Patina. Man sagt brav „Frau Sowieso“ und „Herr Soundso“, und alle Features vom Burger (ich glaub, das war hier: „Toast“ oder „Hacksteak“) bis zur Technik sind eingedeutscht.
Zum Buch: Dazu kommt noch, daß es um Scheidungen geht, logo – Reno war ja ein Paradies dafür, und es wird auch erklärt, warum – , und da breitet sich einerseits das gesellschaftliche Panorama der Vorkriegs-USA und andererseits die sprachliche Weltanschauung des Nachkriegsdeutschlands aus. Super. Den Fall selbst fand ich verworren und psychologisch schwer nachvollziehbar, daher kriege ich ihn grad auch nicht mehr zusammen. Gelesen hab ich das Buch wegen seiner (Serien-)Heldin, Grace Latham. Sie ist Witwe und 38 und wird von einem Ex-Offizier umschwärmt, der irgendwie polizeilich auftritt. Aber sie gerät in die Fälle hinein und macht auch immer alles falsch, verdeckt und versteckt, was das Zeug hält, und verdächtigt immer die Falschen. Von ihrer Umwelt wird sie behandelt, als wäre sie mindestens 103.
Ich weiß noch nicht recht, ob ich sie wirklich ins Herz geschlossen hab, aber ich habe diesen historischen Lesetrip sehr genossen. (Auf dem Umschlag ist ein Standfoto aus einem Film von 1962: Rome Adventure / Abenteuer in Rom mit der gerade mal 30jährigen Angie Dickinson …)
Deutschsprachige Ausgabe:
Leslie Ford: Rendez-vous in Reno. Übersetzt von Ursula von Wiese. A. Müller, 1963.

0616 (91x150)Mary Stewart: The Hollow Hills. 1973.
Danach brauchte ich dringend Abwechslung, und ich dachte, wenn schon historisch, dann mal richtig.
Zum Buch: Diese beiden Bücher (ich habe vorher noch The Crystal Cave wiedergelesen) erzählen Kindheit und Jugend des Zauberers Merlin aus der Artur-Sage, etwa bis zu dem Zeitpunkt, an dem Artur König wird. Und weil Mary Stewart einfach toll erzählen kann, sind die auch toll zu lesen. Ich kenne beide Bücher schon ewig, weil ich sie (auf deutsch) bereits als Kind gelesen hab, offenbar kurz nachdem sie herauskamen.
Stewart hat sich als Hintergrund für Merlin/Artur ein noch römisch beeinflußtes Britannien genommen, in das die Angelsachsen einfallen bzw. zu Hilfe gegen die Pikten gerufen werden. All diese politischen Wirren (die wir selbst heute nur erahnen können, denn viele gesicherte Nachweise gibt es nicht aus dieser Zeit, also Ende 4. Jh./Anfang 5. Jh.) schildert sie verständlich und nachvollziehbar. Aber deswegen lese ich das nicht, sondern weil es eine fantastisch gute Erzählung ist, ein spannender und temporeicher Abenteuerroman mit allem. Und immer noch gut.
Deutschsprachige Ausgabe:
Mary Stewart: Flammender Kristall. Übersetzt von Günter Panske. Molden, 1971. / Der Erbe. Übersetzt von Günter Panske. Molden, 1974.

0560 (86x150)Marion Zimmer Bradley: The Shattered Chain. 1976.
Auch wenn ich sagte, daß Originale nicht altern, so meine ich das: in ihrer Zeit betrachtet. Ansonsten altern sie natürlich genauso wie Menschen.
Zum Buch: Zum Beispiel dieses relativ frühe Werk von der Bradley: Das spielt auf ihrem Planeten Darkover und ist eines der ersten, in dem sie sich von feministischen Ideen inspirieren ließ. Und genauso liest es sich heute auch. Die Frauen sind alle vielschichtig und individuell, mit sehr verschiedenen persönlichen und gesellschaftlichen Hintergründen; die Männer dagegen sind durch die Bank superblöde und damit absolut unsympathisch. Sie führen sich auf wie kleine Kinder, und man fragt sich – schon damals hab ich das (muß so 1980 gewesen sein, es wurde 1978 übersetzt) -, wie die eigentlich an ihre verantwortungsvollen Posten gekommen sind wie etwa Gouverneur des gesamten Planeten und so …
Aber ich will nicht nachtragend sein, und die Bradley spielt bei mir sowieso eine ganz besondere Rolle, denn ich habe meine Diplomarbeit über sie geschrieben. (Die Nebel von Avalon hab ich übrigens gehaßt, nicht zuletzt, weil ich von der Stewart ja ein ganz anderes Bild dieses Erzählstoffes bekommen hatte.) Jedenfalls war das in der Science fiction mit eins der ersten moderneren Bücher, in denen Frauen als aktiv Handelnde im Mittelpunkt standen, und natürlich wurden in diesen Jahren noch viele Punkte der Emanzipation verhandelt, die heute ganz anders oder total abgehakt sind. Daß die Bradley schludrig erzählt, weiß ich ja, und komischerweise macht es bei ihr auch nix oder nicht viel, sie hat so einen Sog.
Deutschsprachige Ausgabe:
Marion Zimmer Bradley: Die Amazonen von Darkover. Übersetzt von Leni Sobez. Pabel, 1978. / Neu übersetzt von Rosemarie Hundertmarck unter dem Titel: Die zerbrochene Kette. Moewig, 1985.

Simon Beckett: The Chemistry of Death. 2006.
Zwischendrin hab ich mal zu einem modernen Bestsellerkrimi gegriffen. Sporadisch prüfe ich ja nach, ob mir bei so was nicht doch alles entgeht, denn eigentlich mache ich um die Bestsellerbücher stets einen großen Bogen – zu oft enttäuscht, weil sie doch meist arg nach Schema F geschrieben oder runtergeschrubbt sind.
So auch diesmal wieder, weswegen ich nichts weiter dazu sagen mag.
Deutschsprachige Ausgabe:
Simon Beckett: Die Chemie des Todes. Übersetzt von Andree Hesse. Wunderlich, 2006.

0740 (90x150)Marion Zimmer Bradley: The World Wreckers. 1971.
Und weil die Bradley trotz allem gern lese, hab ich auch gleich darauf zu einem weiteren Buch von ihr gegriffen, das ich damals sehr mochte, weil es sich auf das Wagnis diverser Facetten von Sexualität einließ. Für mich das eh ein total geheimnisvolles Buch: Weil es das auf Deutsch noch nicht gab, hatte ich es auf Niederländisch gekauft. Nun kann ich eigentlich gar kein Niederländisch, aber ich war hoch motiviert und hab mich Zeile für Zeile ohne Lexikon durchgekämpft. Zumindest grob war mir dann die Handlung bekannt. Etwas später hab ich es dann auf Englisch lesen können und konnte ein paar Lücken füllen. Was die Beziehungen zwischen Mann (oder so) und Frau (oder so) angeht, so ist dies teils angestaubt, teils immer noch Utopie; es wäre schon interessant, denselben Stoff heute noch mal zu erzählen.
Zum Buch: Hintergrund des Romans ist wieder die Welt Darkover, eine scheinbar feudalistisch ausgerichtete Welt unter harten Klimabedingungen (Stichwort schottisches Hochland gekreuzt mit Nepal). In Wirklichkeit handelt es sich um eine verlorengegangene Kolonie der Erde, die in der Zeit, in der sie keinen Kontakt hatte, sozusagen ihr Atomzeitalter durchlaufen und hinter sich gelassen hat. Nur haben die Kolonisten eher keine Hardware-Technik, sondern machen das alles mittels Geisteskräften (Telepathie, Telekinese usw.), die sich bei einigen stark entwickelt haben, weswegen die auch als Adel erachtet werden. Dieser Roman spielt zu einer Zeit, wo die Erde diesen Planeten wiederentdeckt hat und „kolonisieren“ will; eine skrupellose Bande von Geschäftemachern (öhm, ja, es IST ein wenig klischeehaft …) heuert die sogenannten world wreckers an, die die Ökologie des Planeten aus dem Gleichgewicht bringen. Ich denk mal, die Bradley brauchte einfach nur aus der Zeitung abzuschreiben, da war sie sogar ganz hellsichtig. Die adligen Telepathen sterben aus. Ein paar „Gute“ (Darkovaner und Terraner) ziehen nun ein Projekt auf, diese Geisteskräfte systematisch zu erforschen, worauf komischerweise vorher nie einer gekommen ist. Na ja, und in dieser Projektgruppe spielt der größte Teil der Handlung.
Deutschsprachige Ausgabe:
Marion Zimmer Bradley: Die Welten-Zerstörer. Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck. Moewig, 1985.

Aktuell:
Reiseliteratur der altmodischen Art, Bücher über Bücher und Lesewiederholungen. Das alles auf dem Balkon, eau de menthe in Griffweite.

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