Februar 2013

28. Februar 2013

Liebe Leseleute,

im Vormonat hatte ich den Eindruck, daß ich mit dem Lesen kaum vorankomme, weil ich so viele andere Sachen gemacht habe und Stillsitzen irgendwie nicht verlockend erschien. Aber es sind doch mehr als eine Handvoll geworden!

 

Maggie Stiefvater: The Raven Boys. 2012.

Dieses Buch hat mir eine Freundin geschenkt, weil sie fand, daß ich es auch lesen sollte. Es hat mir auch ganz gut gefallen – aber ich muß gestehen, daß ich nur sehr schwer hineingefunden habe, und ich habe lange überlegt, woran das wohl gelegen hat. Ich glaube nun, daß es am Erzählstil des ersten Drittels liegt: Dort gibt die Autorin so viel zusätzliche Information zu den jeweils auftretenden Figuren, daß es schwierig wird, der tatsächlichen aktuellen Handlung zu folgen; beispielsweise unterhalten sich da zwei oder drei Figuren, und nach jedem gesagten Satz folgt erst mal eine kurze Rückschau auf ihre Biographie oder ihre Gedanken oder ihr Verhältnis zu anderen Figuren … Weil das eben so schnell von Figur zu Figur springt und zunächst keine wirklich erkennbar ist als Hauptfigur (ich würde mich auch jetzt noch nicht auf eine einzelne festlegen wollen, denn es wird aus Sicht mehrerer erzählt), fand ich das arg verwirrend. Dennoch hat das Buch durchaus einen magischen Charme und wird auch spannend.

Zum Buch: Es geht um ein Mädchen aus einer magisch begabten Familie (wir lernen allerdings nur die weiblichen Mitglieder kennen), die als einzige nicht magisch begabt ist. Über sie gibt es die Prophezeihung, daß sie, wenn sie den Jungen findet, der ihre wahre Liebe ist, und ihn küßt, dieser Junge stirbt. So etwas kann natürlich arg behindern, wenn man grad dabei ist, das andere Geschlecht zu entdecken … Das Mädchen Blue lernt eine Gruppe Jungs vom örtlichen Nobel-Internat kennen, die allesamt ziemlich verschroben sind und sich vorwiegend damit befassen, das Grab eines alten Keltenkönigs auf einer Ley-Linie zu suchen. (Das Buch spielt aber in den USA in einem Ostküstenstaat.) Sie wissen noch nicht, daß nach dem toten König noch jemand anders sucht – und der ist bereit, über Leichen zu gehen.

 

Bill Bryson: A Walk in the Woods. 1997.

Ich lese Bryson zwar gerne, aber bei diesem Buch dachte ich bislang immer: Will ich wirklich was über amerikanische Wälder wissen? Dann sah ich zufällig im Herbst vorigen Jahres eine zweiteilige TV-Doku über den Appalachian Trail, einen etwa 3000 Kilometer langen Wanderweg entlang des Appalachengebirges im Osten der USA. Das Erstaunliche daran ist, daß es eine Menge Menschen gibt, die diesen Weg am Stück (dauert etwa 5-6 Monate) wandern oder sich das zumindest vornehmen. Das erfordert zumeist auch das Campen in freier Wildbahn, denn Hotels oder so etwas gibt entlang des Trails kaum. In der Doku wurden ein paar der Wanderer den ganzen Weg entlang begleitet (na ja, alle paar hundert Kilometer interviewt) und die markantesten Punkte der Strecke gezeigt.
Noch erstaunlicher fand ich nun, daß mir dieser Film nicht aus dem Kopf gehen wollte (ich wandere nicht!), und weil ich mich dann auch an das Buch von Bryson übers selbe Thema erinnerte, hab ich es mir zugelegt.

Zum Buch: Bill Bryson entdeckt, daß der Appalachian Trail quasi durch seinen Garten in Maine führt, und beschließt, den ganzen Trail zu wandern. Begleitet wird er von einem Kumpel, mit dem er vor Jahren bereits durch Europa gezogen ist, und diese Beziehung ist nicht so ganz unkompliziert. Die Vorbereitungen für die lange Tour kommen selbst mir Flachländerin ein bißchen chaotisch vor, aber sie schaffen erstaunlicherweise doch ein ordentliches Stück, bevor sie unterbrechen müssen. Bryson wandert ein paar Stückchen allein und trifft sich schließlich mit seinem Freund, um den letzten Abschnitt zu gehen – doch sie brechen ab, weil sie der Anstrengung nicht gewachsen sind. Insgesamt jedoch finden sie, daß es sich gelohnt hat. Dazu und drumrum – typisch Bryson – lesen wir jede Menge Geschichte des Trails, vom Umgang mit den Wäldern in den USA sowie von Fauna und Flora und den Trail-Anrainern, fein sortiert nach den jeweiligen Staaten.

Kurz vor der Lektüre suchte ich im Internet nach der TV-Doku, und wundersamerweise wurde sie Ende Januar noch einmal gezeigt! Das war schon spannend zu sehen bzw. zu erleben, wie sich der deutsche Fernsehfilm und das amerikanische Sachbuch kontrastieren, ergänzen und (ungeplant) kommentieren!

Deutschsprachige Ausgabe:
Billy Bryson: Picknick mit Bären. Übersetzt von Thomas Stegers. Goldmann, 1999.

 

Jennifer Roberson: Sword-Dancer. 1996.

Um Abwechslung in der Nachtlektüre zu haben, griff ich mal wieder zu Fantasy. Die Autorin war mir erstmals in einer von Marion Zimmer Bradley herausgegebenen Anthologie aus der Serie “Sword and Sorceress” (sozusagen feministische Fantasy) begegnet, und ich erinnerte mich vage, daß sie mir so gefallen hatte, daß ich mir später auch ihre Romanserie besorgte.

Zum Buch: Die schöne Schwertkämpferin Del aus dem Norden ist auf der Suche nach ihrem kleinen Bruder, der in den Süden und in die Sklaverei verschleppt wurde. Del heuert als Führer den Schwertkämpfer Tiger an. Gemeinsam ziehen sie durch die südliche Wüste. Tiger ist zunächst sehr skeptisch, was die Fähigkeiten einer Frau beim Schwertkampf angeht, aber er ist von Del sehr fasziniert. Unterwegs begegnen ihnen wilde Raubtiere, wilde Wüstenstämme mit feindlichen und freundlichen Absichten, Stürme und Sklavenhändler … und schließlich finden sie auch, wonach sie suchen, nur ist alles ganz anders als gedacht.

Hm. Dümpelte so ein bißchen dahin, die Handlung, und ich muß auch sagen, daß der gesellschaftspolitische Anspruch von damals (eigentlich aus den 1980ern) nicht in jedem Buch dem Zahn der Zeit standhält. Ich fand den Ich-Erzähler Tiger echt begriffsstutzig, was die Fähigkeiten seiner Arbeitgeberin anging, und das ging mir nach einer Weile doch auf die Nerven, kurz: die Figur war nicht überzeugend. Und die Handlung war zu konventionell, um all das wettzumachen. Vielleicht haben sich die Folgebände besser gehalten.

Deutschsprachige Ausgabe:
Jennifer Roberson: Schwerttänzer. Übersetzt von Karin König. Heyne, 1993.

 

Christian Schärf: Schreiben Tag für Tag. Duden, 2012.

Ein Neuzugang in dem von mir so geliebten Genre “Schreibbuch”! Bzw. gleich eine neue Reihe (als Duden-Taschenbücher), herausgegeben von Hanns-Josef Ortheil, der Professor für Kreatives Schreiben an der Uni Hildesheim ist. Viele aus seinem Team geben auch Kurse an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel; die Kurse dort wurden oft von TeilnehmerInnen gelobt. Ich vermute mal, daß diese Reihe aus den Kursen dort und an der Uni entstanden ist, jedenfalls wendet sie sich an Menschen, die intensiv schreibend arbeiten und dazu auch literaturwissenschaftlichen Hintergrund wollen.

Zum Buch: Das Buch befaßt sich mit dem Thema Tagebuch in allen möglichen formalen Erscheinungen. Es ist in 25 Kapitelchen aufgeteilt. Zuerst wird jeweils eine bestimmte Art Tagebuch beispielhaft an dem Werk eines bekannten Schriftstellers vorgestellt, dann folgen ein, zwei Aufgaben, wie man sich selbst dieser Art des Tagebuchführens annähern kann. Wie nebenbei bekommt man ein bißchen Literaturgeschichte mit, und es gibt eine kommentierte Liste verwendeter und weiterführender Bücher.

Der Stil ist eher dröge und manchmal unimäßig geschraubt (“… das Notizbuch dauernd mit sich führen, um gegebenenfalls eine Eintragung vornehmen zu können” – das hätte man sicher auch eleganter formulieren können), aber das Buch ist schließlich ein ernsthaftes Arbeitsbuch und kein flippiger halbautobiographischer How-to-Write-Ratgeber. Ich war einfach nur neugierig, was es zum Thema Tagebuch aus handwerklicher Sicht alles zu sagen gäbe, und ich fühle mich nach der Lektüre nun sehr bereichert und auch angeregt, sowohl zum Schreiben als auch zum Lesen. Allerdings kann ich nicht glauben, daß es nicht mehr Tagebuchbeispiele von Frauen gegeben hätte! Noch nicht mal ein Viertel machen die Aufzeichnungen von Christiane Goethe, Anais Nin, Franziska von Reventlow, Romy Schneider, Susan Sontag und Virgina Woolf aus.

 

Sharyn McCrumb: She Walks These Hills. 1994.

Noch mal Appalachen! Diesmal als Kriminalroman. Sharyn McCrumb hat eine Reihe geschrieben, die in dieser Gegend spielt und in der sie örtliche Balladen, Legenden und Überlieferungen aufgreift, die Anlaß und Hintergrund für ihre Handlungen bilden. Die Bücher wurden mit allen möglichen Preisen überhäuft. Ich weiß nicht, ob es durchgehend auftretende Figuren gibt; dies ist der erste, den ich aus dieser Reihe gelesen habe. Von McCrumb kannte ich vorher ein, zwei Bücher aus ihren beiden anderen Krimireihen, die mir gefallen haben.

Zum Buch: Aus einem Gefängnis bricht ein 63jähriger Häftling aus, der dort lebenslang wegen Mordes sitzen sollte. Er ist krank, hat jegliche Erinnerung an die letzten Jahrzehnte verloren, wähnt sich teils in seinen Zwanzigern, teils noch früher, aber er will nach Hause zu seiner Frau und seiner kleinen Tochter, und weil er sich von Kindesbeinen an in den Bergen auskennt und mit seinem Onkel viel jagen und schwarzbrennen war, kommt er auch ganz gut voran. Sein Heimatort im hinterwäldlerischsten Tennessee ist jedoch in hellem Aufruhr; der Flüchtige hat schließlich seinen Nachbarn mit einer Axt erschlagen. Die Frau hat sich scheiden lassen und jemanden anders geheiratet, die Tochter ist erwachsen und studiert Geologie. Ein Radiomoderator interessiert sich für die Hintergründe des Falls, doch seine Nachforschungen gestalten sich erstaunlich schwierig. Und bei der örtlichen und unterbesetzten Polizei sieht die bisherige Telefonistin ihre Chance, endlich selbst Deputy Sheriff zu werden.

Ein düsteres und melancholisches Buch, aber gut zu lesen und spannend durch seine Vielschichtigkeit. Und ich hatte ja nun auch aktuell den geographischen Hintergrund – wobei mir gerade einfällt, daß ich selbst fast in der Zeit und fast in der Gegend gewesen bin, nämlich in Charlotte, North Carolina, was nicht so weit weg ist (aber eher unbergig).

Deutschsprachige Ausgabe:
Sharyn McCrumb: Schatten über den Bergen. Übersetzt von Karin Polz. Rowohlt, 1995.

 

Doris Egan: The Gate of Ivory. 1989.

Auch dies Nachtlektüre, auch dies aus der Ecke “feministische Science Fiction und Fantasy”, auch dies ein erster Band (einer Trilogie) – im Gegensatz zum Buch von der Roberson hat es sich ein bißchen besser gehalten, vielleicht weil es nicht Fantasy, sondern Science Fiction ist.

Zum Buch: Die Studentin Theodora strandet nach einer interstellaren Spritztour mit Freunden auf dem Planeten Ivory, auf dem es Magie und tödliche Duelle zwischen den mächtigen Adelshäusern gibt. Sie schlägt sich mit Kartenlegen durch und hofft, irgendwann genug Geld für ihre Rückfahrkarte zu haben. Deshalb akzepiert sie das großzügige Angebot eines jungen Mannes, bei ihm in Dauerstellung die Karten zu legen – nicht ahnend, daß sie nun in eine interne Fehde hineingezogen wird, die sie kreuz und quer über den Planeten führen wird.

Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, worum es in dem Buch nun geht, mal abgesehen von besagter Fehde. Es wird breit erzählt, daher sind viele Elemente nicht unbedingt wichtig für die Handlung dieses ersten Teils, der allerdings in sich abgeschlossen ist. Möglicherweise erschließt sich auch hier erst mit den nächsten Bänden die eigentliche Qualität der Bücher – ich habe sie vor ziemlich genau sechzehn Jahren gelesen und seitdem nicht wieder.

Deutschsprachige Ausgabe:
Doris Egan: Das Elfenbeintor. Übersetzt von Michael Morgental. Heyne, 1994.

 

Aktuell:

Ein Buch mit Rezensionen, Gedichte und zwei sehr unterschiedliche Krimis. Auch habe ich endlich angefangen, meine Literatur-Bibliothek zu sortieren und zu inventarisieren (nachdem ich mich schon durch Krimi, Science Fiction + Fantasy, Nachschlagewerke, Kochbücher und Schreibratgeber gekämpft habe!) und mache täglich erstaunliche Entdeckungen darin! Ich wollte ja wieder mehr Werke deutschsprachiger Schriftstellerinnen lesen und habe mich nun entschlossen, aus meinen vorhandenen Beständen von jedem Buchstaben eine zu lesen (so ich da was hab). Das wird, bedingt durch meine hochindividuelle Auswahl, recht überraschende Ergebnisse haben!

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