Januar 2013

31. Januar 2013

Liebe Lesende,

willkommen im neuen Bücherjahr! Und weil jetzt Winter ist, hier meine zur Jahreszeit passende Lektüre der letzten Wochen.

 

Patricia Wentworth: Danger Point. 1942.

Die Wentworth ist mir, wie Ihr ja schon wißt, eine liebe Nachtlektüre – obwohl sie doch manchmal finsterer ist, als mir lieb wäre, selbst auf ihre altmodische Häkelmanier. Und manchmal rege ich mich auch fürchterlich über sie auf, wenn sie etwa ganze Handlungsteile wieder und wieder erzählt oder wenn ihre Frauenfiguren sich dämlicher anstellen, als ich noch zu glauben bereit bin. Danger Point ist der vierte Band mit ihrer Serienfigur Miss Silver, die ein bißchen Miss Marple ähnelt (die beiden sind auch zeitgleich in Erscheinung getreten), im Gegensatz zu der jedoch ihre Ermittlungsdienste professionell anbietet. Leider ist Miss Silver oft nur eine Randfigur in ihren eigenen Romanen – so auch in diesem.

Zum Buch: Zunächst einmal lesen wir etwa hundert Seiten lang vom Leben der reichen jungen Lisle, die sich fragt, ob ihr Mann sie vielleicht ermorden will – weil er vielleicht auch schon seine erste (reiche) Frau ermordet hat … nur um das Geld in den Erhalt eines scheußlichen alten Kastens von Herrenhaus zu stecken, an dem er mit abgöttischer Liebe hängt. Das alles könnte richtig finster in bester Manier von Barbara Vine oder Minette Walters sein, die Wentworth hat durchaus manchmal ein Händchen dafür. Doch mit der blutleeren und waschlappigen Lisle, aus deren Sicht wir meist die Handlung erleben, funktioniert es nicht. Ich hätte die Tussi gelegentlich schütteln können, wenn sie sich immer wieder versucht einzureden, wie sehr ihr Mann sie doch wirklch liebt! Ob er jedoch wirklich hinter den diversen Anschlägen steckt, die auf Lisle verübt werden, ist sehr lange nicht klar, denn immerhin gibt es weitere Verdächtige, nämlich Cousine und Cousin des Ehemannes, die quasi mit im Haus leben. Und als Miss Slver dann gaaaaaaanz weit hinten endlich in die Action eingreift, geht alles sehr fix – viel zu fix, leider.

Dies ist also einer der schwächeren Silver-Romane, dafür aber – im Gegensatz zu vielen anderen – ins Deutsche übersetzt. Die Methode hinter diesen Übersetzungen ist mir unklar, denn sie sind weder chronologisch noch vollständig; ich kann’s mir nur so erklären, daß während des kurzen Häkelkrimi-Revivals, das wir Anfang des Jahrtausends hatten, noch ein paar alte Lizenzen abgefrühstückt wurden, und als das doch nicht den erhofften Erfolg brachte (wie auch!), schnell wieder eingestellt wurden. So ist das halt manchmal …

Deutschsprachige Ausgabe:
Patricia Wentworth: Das alte Haus am Meer. Übersetzt von Andrea Zapf. Goldmann, 2003.

 

Maj Sjöwall / Per Wahlöö: Det slutna rummet. 1972.

Das ist natürlich ein moderner Klassiker der Kriminalliteratur, jedenfalls und ganz besonders im deutschsprachigen Raum. Abgesehen davon, daß die ganze zehnbändige Reihe um Kommissar Martin Beck und sein Team in Stockholm (die neuere TV-Serie ist nur vage angelehnt an diese Bücher) sehr gut und auch heute noch gut zu lesen ist – weswegen eine vollständige Neuübersetzung veröffentlicht wurde -, haben diese Krimis im deutschsprachigen Raum einen starken Einfluß auf unsere eigenen KrimiautorInnen ausgeübt: Die Idee des Krimiteams kommt daher und auch die sehr politische und sozialkritische Sicht auf Polizei, Täter, Opfer und Tat. (Erinnert sich eine von Euch noch an den deutschen Soziokrimi?)
Für mich ist und bleibt dieser Band (Nr. 8 der Serie) der beste.

Zum Buch: Martin Beck ist im vorigen Band angeschossen worden und kommt erst jetzt so langsam wieder zur Arbeit. Für den Anfang geben sie ihm einen “leichten” Fall: ein rätselhafter Mord an einem Mann, der sich anscheinend ohne Waffe selbst erschossen hat, und das in einer hermetisch verschlossenen Wohnung. Das übrige Team ist ohnehin intensiv mit der Aufklärung von Banküberfällen beschäftigt, die immer häufiger und scheinbar von einer einzigen Bande verübt werden. Ja, Beck kann seinen Fall aufklären, aber es kommt alles ganz anders als gedacht. Und ja, auch die Banküberfälle finden eine Art von Lösung – von der ebenfalls alle (einschließlich des mitlesenden Publikums) überrascht sind!

Immer noch schön finde ich diese Mischung aus Einfühlungsvermögen und beißender Sozialkritik, oft verbunden mit völlig absurden und teils hochkomischen Situationen! Ich hab in der S-Bahn gelesen und vor mich hingelacht, und obwohl ich mich gut an die Handlung erinnern konnte (hab’s früher oft gelesen, war einer meiner ersten Krimis Anfang der 1980er), fand ich es schwer, das Buch auch nur vorübergehend aus der Hand zu legen. Und mit dem Wissen von heute über Krimis und die Entwicklung im deutschsprachigen Raum kann ich mir nun auch viel besser vorstellen, welchen Knalleffekt diese Bücher damals gehabt haben, sowohl aufs Publikum als auch auf die AutorInnen!

Deutschsprachige Ausgaben:
Maj Sjöwall / Per Wahlöö: Verschlossen und verriegelt. Übersetzt von Hans-Joachim Maas. Rowohlt, 1975. Neu übersetzt von Paul Berf. Rowohlt, 2008.

 

Jan Morris: Oxford. 1965-91.

Vielleicht ist das Leben dieser Autorin noch interessanter als ihre Bücher, aber ich hab bei der Erstlektüre von all dem noch gar nichts gewußt. Ich wollte ein Buch über Oxford lesen und gewann den Eindruck, dieses sei das beste – ein Porträt der Stadt, kein Reiseführer im eigentlichen Sinne, auch keine geschichtliche Abhandlung, sondern ein buchlanges Essay, eine Plauderei mit Fakten, Anekdoten, Zusammenhängen, Beschreibungen, Erklärungen … eben so intensiv englisch! (Und konsequenterweise auch nicht ins Deutsche übersetzt.)
Oxford ist meine Traumstadt, das wußte ich schon lange, bevor ich vor zehn Jahren erstmals hinkam. Ich las als Teenager Aufruhr in Oxford von Dorothy L. Sayers mit einem Reiseführerheftchen daneben, das ich aus den Beständen meiner reisefreudigen Patentante übernommen hatte. Der Krimi ist von 1936, das Heft von 1956 oder so, Morris’ Buch erschien erstmals 1965 und wurde bis 1991 (und vielleicht danach auch noch) mehrfach aktualisiert – und Oxford hat sich eigentlich kaum verändert. Jedenfalls nicht in den letzten achthundert Jahren. Es ist eine Stadt der Geschichten, die vor allem um das Wissen und Lernen und Lehren kreisen und deren handelnde Figuren – seien sie real oder fiktiv – reich an Merk-Würdigkeiten sind. Und Morris schreibt sehr innig über die Stadt, in der er studiert hat und die sie als gestandene Journalistin und Reisebuchautorin noch besser kennenlernt – innig und verständnisvoll und lyrisch und mit feinem Humor, hach, es ist einfach toll! Nur darf man nicht zu viel auf einmal lesen.

 

Mary Scott: Breakfast at Six. 1953.

Auch Mary Scott ist eine neuseeländische Autorin gewesen, aber offenbar ist sie mittlerweile selbst dort wieder vergessen, obwohl sie ziemlich produktiv und sehr erfolgreich war. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß sie überwiegend heitere Romane und ein paar Krimis (gemeinsam mit einer Kinderbuchautorin!) geschrieben hat, so was wird ja häufig nicht als ernsthaftes literarisches Werk gesehen. Für mich war sie die erste Berührung mit Neuseeland – ich könnte jetzt gar nicht mehr sagen, wann ich dieses Buch erstmals gelesen habe, vielleicht mit zehn oder so.
Zum Buch: Es ist der Auftakt zu einer halb autobiographischen Serie über drei Schaffarmerfamilien in der Wildnis der Südinsel. Scott hat auch ein Buch mit “echten” Memoiren dazu veröffentlicht, das realistischer und kritischer (und auch einzigartig in der neuseeländischen Literatur) sein soll, das habe ich aber noch nicht gelesen. Die heiteren Romane um Susan und Larry und ihre Männer und Freunde in der kleinen Gemeinde im neuseeländischen Busch kenne ich jedoch fast alle, und ich habe jetzt beim Wiederlesen festgestellt, daß sie zwar wirklich etwas naiv und schönfärberisch (und inzwischen angestaubt) sind, ich aber zumindest den ersten immer noch weitgehend lustig und vor allem lesbar finde. Ich hätte den Roman gern auf Englisch gelesen, aber offenbar ist es schier unmöglich, eine solche Ausgabe zu bekommen! Die Übersetzung ist schon hin und wieder etwas seltsam und unbeholfen.

Deutschsprachige Ausgabe:
Mary Scott: Frühstück um sechs. Übersetzt von Arno Dohm. Goldmann, 1956.

 

Philip Pullman: Northern Lights. 1995.

Auf dieses Buch (das erste einer Trilogie) wurde ich durch eine Anzeige aufmerksam, in der es (bzw. die deutsche Erstausgabe) als DAS neue Fantasy-Ereignis vorgestellt wurde. Den Autor kannte ich nicht; kein Wunder, denn er hat im wesentlichen für Kinder und Jugendliche geschrieben, was er eigentlich auch mit dieser Trilogie tut. Ich halte sie jedoch auch für Erwachsene geeignet; manche würden vielleicht sogar finden, daß sie für Kinder ab zwölf nicht so paßt (ICH hätte es in diesem Alter sehr gern gelesen!), weil ziemlich finster. Ich fand es jedoch voller origineller Einfälle und interessanter Figuren und insgesamt viel zu kurz.

Zum Buch: Heute würden wir diese Bücher wohl als “Steampunk” bezeichnen, denn sie spielen – zumindest im ersten Band – in einer quasiviktorianischen Parallelwelt, die allerdings nur ein bißchen anders ist als unsere. Folglich gibt es darin auch Oxford, und von einem Oxforder College aus startet die Handlung. (Warum wohl hab ich das Buch gelesen …?) Die zwölfjährige Lyra wächst in der Obhut des Colleges auf. Ihr Onkel ist ein berühmter Nordlandforscher, der in den Nordlichtern den Zugang zu anderen Parallelwelten entdeckt hat (was die Kirche gar nicht freut!). Auch Lyra zieht es dorthin – doch sie bricht erst auf, als ihr Freund von einer finsteren Bande entführt wird und sie ihn retten will. Unter abenteuerlichen und gefährlichen Umständen kommt sie auf der Fährte der Entführer in den hohen Norden … Der deutsche Titel bezieht sich auf ein seltsames Gerät, das Alethiometer, das Lyra anvertraut wird und mit dem sie nach und nach lernt umzugehen. Es ist eine Art Weissagungsgerät, das jede Frage wahrheitsgemäß beantwortet, und Lyra hat ein natürliches und einzigartiges Talent, es zu benutzen.

Wenn ich durch die Trilogie durch bin, sage ich noch mehr zu diesen Büchern. Sie sind in England und besonders natürlich in Oxford ein ziemlicher Hit (inkl. Merchandising!).

Deutschsprachige Ausgabe:
Philip Pullman: Der goldene Kompass. Übersetzt von Wolfram Ströle und Andrea Kann. Carlsen, 1996.

 

Aktuell:
The Raven Boys von Maggie Stiefvater, das Weihnachtsgeschenk einer Freundin; von Christian Schärf Schreiben Tag für Tag, ein Band aus einer neuen Reihe des Duden-Verlags zum Thema Schreiben von den Wolfenbütteler Leuten um den Ortheil herum (hab ich auf der Buchmesse entdeckt, sie waren nominiert für “Schönste Bücher”); und als Nachtlektüre Schwerttänzer von Jennifer Roberson, Fantasy aus dem Dunstkreis von Marion Zimmer Bradley.

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