Mai 2012

31. Mai 2012

Ihr lieben Lese-Abenteurer,

diesmal entführe ich Euch in unterschiedlich phantastische Welten – keine Reisebücher im eigentlichen Sinne, aber ist nicht jedes Buch eine Reise und jede Buchwelt phantastisch (und im Grunde fiktiv und dennoch wahr)?

 

Gladys Mitchell: Death and the Maiden. 1947.

Damit habe ich mich schwergetan. Vielleicht ist es doch zu anspruchsvoll für Bettlektüre – zu komplizierter Plot, schwierige Hauptfigur (wobei ich jetzt nicht mit Sicherheit sagen kann, daß die Serienfigur auch wirklich die Hauptfigur ist …), reichlich Leute, die man die ganze Zeit schütteln könnte, weil sie sich von morgens bis abends sozialunverträglich aufführen. Oder einfach nicht mein Buch. Dabei mag ich ja diese englischen “Häkelkrimis” aus dem Goldenen Zeitalter!

Zum Buch: Dieser spielt zwar schon nach dem Zweiten Weltkrieg, ist aber trotzdem ein ganz klassischer. Die Bezeichnung “Häkelkrimi” (stammt von Jochen Schmidt) finde ich auch (im Gegensatz zu Schmidt) nicht abwertend, sondern vielmehr treffsicher beschreibend: Es wird nach Muster gehäkelt, sowohl Plot als auch Setting und Figuren, aber wie ein Häkelmuster bietet genau diese Struktur Raum für quasi alles. Und selbst wenn solche Krimis in einer Zwischenreich spielen – nicht ganz Realität, nicht ganz Phantasie -, so erzählen sie uns doch viel über ihre Zeit und ihre Welt. Und sei es nur das Herumgemache mit den Coupons, die in England nach dem Krieg länger in Gebrauch waren als hier in Deutschland. Vor lauter Konstruktion verliert man beim Lesen gern die Handlung aus den Augen, und konsequenterweise hab ich jetzt auch schon wieder vergessen, wer eigentlich der Bösewicht war. :-)

Aber ich find die trotzdem klasse, und weil Gladys Mitchell mit ihrer schrägen Seriendetektivin Mrs. Bradley – einer freudianischen Psychiaterin, die teils von der Regierung angeheuert wird – in deutschsprachigen Landen gar nicht (weil nur drei Bücher übersetzt) und mittlerweile auch anderen kaum noch bekannt ist, werde ich bestimmt noch weitere Romane der 66bändigen Reihe lesen. (Ich sehe gerade: vor nicht allzu langer Zeit gab es daraus sogar eine TV-Serie mit Diana Rigg in der Hauptrolle. Sehr abgefahren, diese Wahl. Oder vielleicht auch nicht.)

 

C. J. Cherryh: Conspirator. 2009 / Deceiver. 2011 / Betrayer. 2011.

Das sind die Bänd 10-12 ihrer Serie über Bren Cameron, der bei dem Alienvolk der Atevi zunächst als Übersetzer, aber mittlerweile eher so was wie Chef-Diplomat tätig ist. Natürlich ist es nach den ersten neun dicken Bänden viel “mehr von demselben”, aber Cherryh schreibt so spannend, daß ich mir Band 10 und 11 in Windeseile reingerüsselt habe und Band 12 (der jetzt erst als Taschenbuch vorlag) fix bestellt habe, um nicht Tage oder Wochen auf halber Höhe der Handlung hängenzubleiben. Mittlerweile wird auch aus der Sicht des Fürstensohnes erzählt, für den Cameron eine Art Pate ist, und das ist interessant, weil es Cherryh hier gelingt, menschliche und Alien-Sicht glaubhaft miteinander zu verbinden. Cherryh verwendet in fast allen ihren Büchern eine sehr strenge Dritte-Person-Singular-Perspektive, fast stream of consciousness; so was ist in der SF eher nicht üblich und auch sonst in Genreliteratur selten. (Von dieser Serie sind nur die ersten drei ins Deutsche übersetzt worden.)

 

C. J. Cherryh: The Pride of Chanur. 1982 / Chanur’s Venture. 1985 / The Kif Strike Back. 1986 / Die Heimkehr der Chanur (Chanur’s Homecoming. 1986).

Und weil das so spannend war, habe ich auf eine ältere Serie von Cherryh zurückgegriffen, in der mehrere Alienvölker um die Vorherrschaft in ihrem Quadranten rangeln. Eigentlich sind sie so verschieden, daß sie höchstens als Händler miteinander klarkommen (manche zum Beispiel atmen Methan und denken mit neun Gehirnen in Matrices), aber natürlich spielen sie trotzdem Politik. In dieses Spannungsfeld gerät ein einzelner Mensch, und er wendet sich auf der Flucht vor denen, die ihn gefangengenommen haben, an diejenigen, die er glaubt am besten zu verstehen. Das ist ein Alienvolk, das ähnlich wie Löwen aussieht und auch so lebt. Ich fand es auch jetzt wieder interessant zu sehen, wie ein Konzept (Löwen auf der Erde) auf ein gänzlich anderes (raumfahrende Wesen) übertragen werden kann. Und welche Vorurteile wir alle haben! :-)

Die ersten drei Bände dieser fünfteiligen Serie hatte ich jetzt neu und erstmals auf Englisch; da die Folgebände auf englisch offenbar Lieferprobleme haben, mußte ich den vierten Band, in dem die Haupthandlung ihren Höhepunkt findet, doch wieder auf deutsch lesen. Bescheuert, diese Serie so aufzuteilen; der fünfte Band (den ich jetzt nicht noch mal gelesen habe) ist eher der Beginn eines neuen Abenteuers mit einer anderen Hauptfigur.

Deutschsprachige Ausgaben:
C. J. Cherryh: Das Schiff der Chanur. 1984 / Das Unternehmen der Chanur. 1986. / Die Kif schlagen zurück. 1987. / Die Heimkehr der Chanur. 1988. Alle übersetzt von Thomas Schichtel, erschienen bei Heyne.

 

Anne Fine: The Summer House Loon. 1978.

Das gelangte über eine Freundin meiner Mutter zu mir, die mir das von der Autorin signierte Buch zusammen mit einem Foto von sich und der Autorin schenkte, was ich total süß fand. Von Anne Fine hatte ich noch nichts vorher gelesen, wußte nur, daß sie Spannungsromane (?) schreibt, aber auch Kinderbücher. Dies ist ein Buch für etwa Zehn- bis Zwölfjährige, schätze ich.

Zum Buch: Ione nimmt sich zu Beginn jeder Ferien einige gute Vorsätze vor und betrachtet in den nächsten Ferien, wie gut sie sie einhalten konnte. In diesen Sommerferien wird sie jedoch davon abgelenkt, weil der Verehrer der Sekretärin ihres Vaters – der Verehrer ist auch Student bei Iones Vater – sie zur Verbündeten macht bei dem Unternehmen, endlich diese Sekretärin zur Frau zu gewinnen. Genauer gesagt, beschließt Ione, aus lauter Bewunderung für den Verehrer-Studenten, den sie gerade erst kennengelernt hat, ihm zu helfen …

Das ist so erfrischend und witzig geschrieben und so voller ungewöhnlicher Vorfälle und Figuren, daß ich richtig böse war, als ich es aus hatte – nach empörend kurzen 119 Seiten mit jeweils wenig Text drauf … (Keine deutschsprachige Ausgabe. Schade!)

 

Kurt Schulze (H): Modern Detective Stories. Cornelsen-Velhagen & Clasing, 1962.

Zum Buch: Dieses Heftchen ist ein Relikt aus meiner Schulzeit. Ich kann mich nur noch dunkel erinnern, daß wir zwei der fünf enthaltenen Geschichten gelesen haben. Von den ungelesenen ist mir ein Titel immer in Erinnerung präsent geblieben: “The Strange Case of Steinkelwintz”, von einem mir völlig unbekannten Autor namens MacKinlay Kantor. (Kein Wunder; der hat auch kaum was geschrieben und eher keine Krimis.) Die anderen Stories sind von Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Freeman W. Crofts und Cyril Hare und durchaus typisch für das jeweilige Werk. Mein Liebling ist natürlich weiterhin “The Milk Bottles” von Sayers, ich könnt mich immer wieder abrollen darüber, wie sie die Arbeit einer Zeitungsredaktion karikiert.

“Modern” finde ich in diesem Zusammenhang eine recht kühne Beschreibung; selbst 1962, als das Heft erstmals erschien, waren die Stories schon nicht mehr modern: Sie stammen aus den 1930-40ern, die von Kantor (dem einzigen Ami) sogar schon von 1929. Wir sollten damals anhand dieser Krimigeschichten Englisch lernen. Das ist zwar nicht ganz falsch gedacht, aber mich hat schon in der Schule gewundert (das muß so in den späten 1970ern gewesen sein), warum dann keine wirklich modernen Texte genommen wurden, in denen auch das aktuelle Vokabular und die Themen der Gegenwart angepsrochen wurden. Copyrightprobleme können es bei diesem Heft nicht gewesen sein; welche Autorin ist nicht begeistert, wenn ihre Texte in Schulbücher aufgenommen werden? (Geld gibt’s ja auch dafür.) Dann war es wohl eher der persönliche Geschmack des Zusammenstellers; aber im Verlag hätte doch vielleicht mal jemand was sagen können … Der Hammer kommt aber noch: Bei meiner Recherche zu diesem Titel im Internet fand ich Hinweise, daß genau dieses Heft offenbar IMMER NOCH in der Schule eingesetzt wird!!! “Modern”, fürwahr. Meiner Treu.

Aktuell:

Immer noch Reisebände (auch das Exit Cafe!) und dies und das …

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