September 2011

30. September 2011

Liebe Lesende,

ein (fast) reiner Frauenmonat für mich, wie es aussieht, aber die Sparten sind vielfältig.

 

Natasha Cooper: Creeping Ivy. 1998.

Von Natasha Cooper hatte ich ja im August schon berichtet, und dieses Buch habe ich anläßlich der diesjährigen Krimi-Konferenz in Oxford gelesen, wo Natasha über ihre Serienheldin Trish Maguire erzählte. Da ich noch keins davon kannte, war ich sehr froh, als ich dieses in meiner Sammlung entdeckte.

Zum Buch: Es ist das erste der Serie. Trish ist eine Art Jung-Anwältin in London, aber unzufrieden mit ihrem Job. Als die kleine Tochter ihrer Cousine verschwindet, bietet sie ihre Hilfe an. Aber die Cousine ist schwierig, die Spuren sind sozusagen nichtexistent, und auch in Trishs Privatleben läuft irgendwie alles schief … und dann gerät sie auch noch selbst unter Verdacht, weil sie sich viel zu gut in der Materie auskennt (sie schreibt gerade ein Buch über Verbrechen an Kindern). Ich fand’s irre spannend (auch wenn ich die Lösung irgendwann ahnte), obwohl mir sonst solche Themen nicht ganz liegen, und hab’s in zwei Tagen durchgehechelt. Es fließt kein Blut und es werden keine Grausamkeiten gezeigt, aber Trish ist eine sehr intensive und vielschichtige Figur, bei der ich mitgefiebert habe, ob ihre Pläne gelingen. Ich werd sicher weitere Bücher aus dieser Serie lesen (eins hab ich noch hier), sparsam dosiert, damit die Wirkung nicht geschmälert wird.
Leider gibt es die Serie noch nicht auf deutsch.

 

Jan Barnes / Beryl Peters (Hrsg.): Tea, an Everyday Indulgence. 2007.

Das hab ich immer mal so zwischendurch in der Küche „weggeknuspert“. Die eine Autorin, Beryl Peters, ist eine Sammlerin von Viktoriana. Aus der Reihe gibt es noch viele ähnliche Werke, nichts davon auf Deutsch. (Interessiert es hier niemanden? Kann ich mir nicht vorstellen.)

Zum Buch: Es ist eigentlich ein Geschenkbändchen, mit kurzen Auszügen aus alten Büchern über Tee und alles, was damit zusammenhängt an gesellschaftlichen (wie man formvollendet wen zu welcher Art von Nachmittagstee einlädt) und hauswirtschaftlichen (wie Kupferkessel richtig gereinigt werden) Situationen, dazu alte Illustrationen.

 

Charlaine Harris: A Touch of Dead. 2009.

Diesen Storyband entdeckte ich in einem Hamburger Antiquariat und hab ihn gleich für eine Freundin eingesackt, die ein leidenschaftlicher Fan von Sookie Stackhouse ist. Natürlich mußte ich ihn vorher lesen (ganz vorsichtig – ich kann ein Buch so lesen, daß es niemand merkt).

Zum Buch: Jetzt finde ich zwar, daß Stories nicht gerade die große Stärke von Charlaine Harris sind und das Buch daher wirklich nur was für eingefleischte Fans der Serie ist (siehe August 2011), aber in der Diskussion mit meiner Freundin darüber wurde mir mal wieder klar, daß man alle Texte auf sehr unterschiedliche Weisen lesen kann und daß jede davon ihre Berechtigung hat. (Ich hab mir auch gleich ein Buch über zehn verschiedene Arten literarischer Interpretation gekauft!) Für mich blieb die Hauptsache, daß meine Freundin sich über das Geschenk gefreut hat.

Deutschsprachige Ausgabe:
Angekündigt für 2012 bei dtv unter dem Titel Vampire und andere Kleinigkeiten.

 

Elke Heidenreich: „Darf’s ein bißchen mehr sein?“. Rowohlt, 1984. / „Geschnitten oder am Stück?“. Rowohlt, 1985.

Na, da hat mich vielleicht der Atem der Geschichte angeweht … Elke Heidenreich hat als Else Stratmann im Radio (und im finstersten Ruhrgebietsdialekt) das politische und gesellschaftliche Zeitgeschehen dieser Jahre in der Bundesrepublik Deutschland kommentiert, und abgesehen davon, daß die Sachen auch heute immer noch sehr witzig sind (ich hab beide Bücher aufm Klo gelesen und oft laut gelacht), war es für mich wie eine Zeitreise – in die Ära Helmut Kohl, in die Zeit der großen Demos, der noch ganz jungen Grünen, der ersten Videorecorder und Dallas/Denver und Miami Vice. Kurzum: meine Studienzeit. Hachja. Und einiges ist sicher zeitlos schön, was etwa den Adel und besonders „Lisbett“ oder die Spannungen zwischen den Generationen angeht (hier eins meiner Lieblingsstücke – aber geschrieben bietet es noch ganz andere Lacher …).

 

Erich Kästner: Emil und die Detektive. Williams, 1929.

Eigentlich fand ich den Emil immer toll, aber ihn jetzt wiederzulesen war vielleicht keine gute Idee.

Zum Buch: Die Story an sich funktioniert immer noch gut – wie die Berliner Gören Emil helfen, wieder an sein von einem zwielichtigen Typen gestohlenes Geld zu kommen. Nur der Autor stört darin gewaltig, und zwar wenn er quasi mit erhobenem Zeigefinger moralisierende Bemerkungen macht. Auch ist Emil, von heute gesehen, geradezu widerwärtig gut, man kringelt sich beim Lesen vor Peinlichkeit. Und Emils Cousine Pony Hütchen ist schlichtweg gräßlich (als lesende Frau gesprochen). Ja, okay, es ist ein Kinderbuch, und ja, es ist jetzt bald achtzig Jahre alt. Aber von heute aus gesehen: Hätte man nicht doch noch ein paar Schwierigkeiten einbauen können, die die Kinder zu überwinden gehabt hätten? Oder ein bißchen mehr an der Persönlichkeit der Hauptfiguren feilen? Irgendwie betrübt mich, daß mir ein geliebter Kindheitsklassiker jetzt nicht mehr gefällt, was mir sonst selten passiert.

 

Patricia Wentworth: The Case Is Closed. 1937.

Die Wentworth war ja eine Vielschreiberin, und dem Vernehmen nach hat sie morgens in aller Herrgottsfrühe ihrem Gatten (einem pensionierten Armee-Offizier) ein Stündchen lang ihren Text diktiert und sich den Rest des Tages dem Garten und sonstigen Genüssen hingegeben … Was sie, ähnlich wie Georgette Heyer, gut kann, sind Wortgefechte unter Noch-nicht-Liebenden, die sind amüsant und unterhaltsam. Auch die Beschreibungen von Orten und vom Lebensgefühl im England der 1930er und 1940er sind prägnant und, wie ich finde, immer mit dem gut ausgewählten Detail charakterisiert. Nur beim Plot hapert es oft. Das kann ich großzügig übersehen, solange ich das Buch nicht gelangweilt aus der Hand lege, aber einige Wochen nach der Lektüre fällt es mir schwer, mich an die Handlung zu erinnern …

Zum Buch: So auch bei diesem, deswegen kann ich jetzt nur aus dem Klappentext referieren, daß eine junge Frau zufällig etwas erfährt, was die Unschuld ihres im Gefängnis sitzenden Cousins beweisen könnte, und sie geht daran, den ganzen Fall noch mal neu aufzurollen. Insgesamt ein klassischer Häkelkrimi, und wenn man Patricia Wentworth verzeihen kann, daß sie nicht Agatha Christie ist (die erheblich besser schrieb), ist es nette Unterhaltung für zwischendurch oder, wie bei mir, als Nachtlektüre. Ich warne jedoch vor zu viel Wentworth auf einmal!
Aus ihrem umfangreichen Oeuvre sind nur wenige ins Deutsche übersetzt, The Case Is Closed allerdings nicht.

 

Mary Ann Shaffer / Annie Barrows: The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society. 2008.

Wie mir eine Freundin im Sommer schrieb, als sie ihre Küche renovierte und zwischendrin dieses Buch las: sehr englisch, sehr witzig und doofer deutscher Titel. Ich hab bei der Lektüre gelacht und fühlte mich berührt und war neugierig auf den Fortgang der eher gemächlichen Handlung, und ich fand es spannend, von der Situation für Schriftsteller in der Literaturszene im und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zu lesen, was die Haupt-Erzählerin immer wieder äußerst witzig schildert. Auch begegnete ich unvermutet und hoch erfreut einem Bekannten: Charles Lamb und seine „familiar essays“, die mir zuerst durch Ann Fadiman (großartig in Ex Libris, und qualitativ gemischter in At Large and at Small) nahegebracht wurden. Lamb steht auf meiner Liste!

Zum Buch: Eine englische Schriftstellerin erhält überraschend Fanpost, jedoch nicht zu ihren Werken, sondern zu einem Buch von Charles Lamb, das sie einmal besessen hat und das von London auf die von Deutschen besetzte Kanalinsel Guernsey geraten ist. Inzwischen ist der Zweite Weltkrieg vorbei, und die Autorin reist auf die Insel und erfährt, wie einige Menschen dort mithilfe der Literatur die Besetzung überstehen konnten. Erzählt wird in Briefen, die sich verschiedene Buchfiguren schreiben.

Deutschsprachige Ausgabe:
Mary Ann Shaffer / Annie Barrows: Deine Juliet. Übersetzt von Margarete Längsfeld und Martina Tichy. Kindler, 2008.

 

Mary Mackie: Cobwebs and Cream Teas. 1990.

Mackie ist eine britische Liebesroman- und sonstige Autorin (auf Deutsch gibt es von ihr nur zwei der Liebesromane), und als ihr Mann sich Mitte der 1980er von der Londoner Bankenszene zu was Handfesterem umorientieren wollte, konnte sie ihm problemlos in ein großes Herrenhaus in Ostengland folgen, weil sie dachte, sie könne genauso gut dort schreiben.

Zum Buch: Felbrigg Hall steht unter Denkmalschutz und ist ein Museum, und Herr Mackie nahm dort die Stelle eines Hausmeisters an – was bedeutete, daß er sich rund um die Uhr um alles kümmern mußte und auch seine Frau involviert wurde. Sie machte daraus drei Bücher, in denen sie anekdotisch beschreibt, was im Jahresablauf eines National-Trust-Hauses so alles los ist. Das ist manchmal ein bißchen schmalzig zu lesen, aber insgesamt fand ich es unterhaltsam und lustig und informativ, und wenn mein Mann so einen Job annähme, würde ich sofort mitgehen. (Aber erst besorge ich mir die beiden Folgebände.)

(noch keine deutschsprachige Ausgabe)

 

Joanna Trollope: Marrying the Mistress. 2000.

Dieses Buch wollte ich auf die Schilderung einer Freundin hin auch mal lesen, und als ich es im August in Oxford bei Oxfam fand (man spreche die letzten fünf Wörter ganz schnell hintereinander), hab ich gleich zugeschlagen.

Zum Buch: Ein Londoner Anwalt verliebt sich in eine sehr viel jüngere Kollegin und verläßt für sie seine Frau. Da er die neue Liebe heiraten will, bricht nicht nur ein finsterer Rosenkrieg aus, sondern auch seine erwachsenen Kinder und deren Familien finden es schwierig, mit der Situation umzugehen. Ja, es war auch lustig, und ja, die Figuren waren gut vorstellbar und rund, und ja, die Familienkonflikte waren gut geschildert, wenn auch vielleicht manchmal etwas überzogen. Mich haben jedoch zwei Sachen gestört: Einmal, daß die konventionelle Lebensweise als „natürlich“ hingestellt wurde und alle, die davon abweichen, müssen unglücklich werden – gut, das könnte auch ironisch gemeint gewesen sein, hab ich aber nicht so verstanden. Und zum anderen fing das Buch irgendwie dreihundert Seiten lang nur an. Als ich gerade dachte, super, jetzt wird’s wohl endlich richtig zur Sache gehen und zu den verschiedenen Familienmitgliedern und ihren Problemen und Lösungen – schwups, war’s zu Ende. Aber erzählen kann sie schon gut, die Trollope.

Deutschsprachige Ausgabe:
Joanna Trollope: Eine ganz normale Affäre. Übersetzt von Ulrike Thiesmeyer. Berliner Taschenbuch-Verlag, 2010.

 

Aktuelle Lektüre:
Als Nachtleküre Mary Stewart, tagsüber die frühen modernen amerikanischen Privatdetektivinnen sowie Janwillem van de Weterings Erfahrungen mit Zen.

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