Juli 2011

31. Juli 2011

Werte Lesende!

Viel gelesen hab ich diesen Monat nicht, jedenfalls sieht es nicht so aus – nur vier Bücher, zwei davon allerdings ziemlich dick.

 

Elizabeth Gilbert: Eat Pray Love. 2006.

Ich fand und finde den Titel gut; allerdings hatten mich die Besprechungen zu Buch und Film eher abgeschreckt. Jetzt hatte ich es second hand gefunden und dachte, guckst doch mal rein. Es liest sich ganz flott. Manchmal ging mir das schon auf den Keks, wie die Autorin doch immer wieder Selbstzweifel hegte, aber bei anderen Leuten ist das ja immer nervig. Ihre Schilderungen von Italien und italienischem Essen waren sehr anschaulich; mit ihren Erfahrungen in einem indischen Ashram kann vermutlich nur jemand was anfangen, der sich schon ähnlich mit dieser Materie befaßt hat; und was sie auf Bali wollte, wußte sie selbst nicht so recht, und genauso liest es sich dann auch. Aber es ist halt kein Roman, und auch wenn sie zufällig am Ende wieder einen Mann findet, in den sie sich verliebt und mit dem es dann auch wirklich gut klappt (siehe auch ihr neuestes Buch über die Ehe!), so ist das eben das wilde, unberechenbare reale Leben, das mitunter kitschiger ist als der kitschigste Roman.
Interessant waren für mich die Anmerkungen auf einer Website zu dem Umstand, daß neuerdings unheimlich viele Frauen auf der Suche nach sich selbst den kleinen Ort auf Bali fluten, in dem Gilbert war. Offenbar gab es dort vorher schon reichlich Selbstfindungstouristinnen (inklusive Abenteuerbatiken und Buchhäkeln), aber jetzt hat sich ihre Zahl vervielfacht. Eine Kommentatorin meint dazu: „Sie können noch so viel Zeit dort verbringen und werden höchstens lernen, daß sie nicht Elizabeth Gilbert werden können …“ Genau. Jede/r muß den eigenen Weg finden. Ich wollte noch nie nach Bali, und was Gilbert darüber schreibt, überzeugt mich noch weniger davon, dorthin zu reisen. Daß Bali so friedlich wär, ist offenbar eine clevere Marketingidee der Indonesier; bis in die 1960er haben sie sich dort genauso abgeschlachtet wie woanders auch. Und die Menschen sind ebenso Menschen wie in allen anderen Teilen dieser Welt.

Zum Buch: Grob gesagt, erzählt die Autorin ein Jahr aus ihrem Leben, das sie je zu einem Drittel in Italien, in Indien und auf Bali verbracht hat. Damit wollte sie ihre schweren Depressionen loswerden, die unter anderem vorher zu ihrer Scheidung und einer weiteren katastrophalen Liebesgeschichte geführt hatten.

Deutschsprachige Ausgabe:
Elizabeth Gilbert: Eat, pray, love oder eine Frau auf der Suche nach allem quer durch Italien, Indien und Indonesien. Überstzt von Maria Mill. Bloomsbury, 2006.

 

Natalie Goldberg: The Great Failure. 2004.

Das fand ich ein schwieriges Buch. Es wußte nämlich auch nicht so recht, wohin mit sich. Ich hab Writing Down the Bones und Wild Mind sehr gern gelesen und kehre auch immer wieder mal dahin zurück; aber ich wollte auch was über die Autorin wissen, das über das hinausgeht, was auf ihrer Website steht.

Zum Buch: Im Wesentlichen beschäftigt sich Goldberg in diesem Buch mit ihren Illusionen – über ihren Vater, von dem sie sich nicht richtig wahrgenommen fühlte (ich hab die ganze Zeit gedacht, er hätte sie mißbraucht, aber das steht nirgends im Buch und war wohl auch nicht so), und über ihren Zen-Lehrer, der nicht so zolibatär lebte, wie sie gedacht hatte. Was sie da nun genau aus der Spur gebracht hat, habe ich nicht verstanden, und was sie mit „Versagen“ eigentlich meint, konnte ich auch nicht herausfinden. So bleibt das Buch irgendwie zerfasert und unentschlossen.

(noch keine deutschsprachige Ausgabe)

 

Bill Bryson: At Home. 2010.

Jetzt, wo ich damit durch bin, kann ich nur sagen: Es ist zu kurz. Beim Lesen sind mir noch ein Haufen weitere (Alltags-)Themen und Sachen eingefallen, deren Geschichte ich gern lesen würde. Und spannend fände ich bei vielem auch einen kulturgeographisch (und -historisch) weiter gefaßten Vergleich. Neulich las ich woanders zufällig, daß die Geschichte der Topfpflanze als Hausgenossin im Mittelalter beginnt. Und ich erinnere mich nur allzu lebhaft daran, mit welcher Begeisterung ich selbst vor einigen Jahren die Geschichte des Büros und des Büromaterials erforscht habe – leider durfte ich dann nur 2700 Zeichen dazu schreiben, aber ich hatte so einen Spaß allein schon beim Recherchieren! Bryson offenbar auch, und er springt so unangestrengt von einem Ding zum nächsten; und er hat wirklich die Gabe, Verbindungen und Muster zu sehen und sie auch noch verständlich und oft amüsant zu präsentieren.

Zum Buch: Bryson geht durch sein Wohnhaus in Norfolk in England und betrachtet Raum für Raum, wie sich angesichts der industriellen Revolution die Alltagskultur seit Mitte des 19. Jahrhunderts in technischer und soziologischer Hinsicht entwickelt hat. Wie wurden (Wohn-)Häuser gebaut und eingerichtet, wie wurden sie genutzt, welche Gegenstände nahm man täglich in die Hand und wozu, welche Menschen lebten wie zusammen? Unterhaltsam, manchmal bissig, plaudert Bryson darüber, wie sich Weltgeschichte in unserer unmittelbaren Umgebung niederschlägt.

Deutschsprachige Ausgabe:
Bill Bryson: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge. Übersetzt von Sigrid Ruschmeier. Goldmann, 2011.

 

C. J. Cherryh: Cyteen. 1988.

Diesen Science-Fiction-Roman habe ich vor zwanzig Jahren schon mal auf Deutsch gelesen und hatte nur noch eine vage Erinnerung daran, daß ich damals mit dem Buch nicht recht klargekommen bin, obwohl die Autorin zu meinen großen Lieblingen gehört. Jetzt fand ich das Werk antiquarisch auf Englisch und machte einen erneuten Anlauf. Auch wenn das große Paperback nur 680 Seiten hat, in Wirklicheit sind es vermutlich doppelt so viele, denn die Schrift ist klein und der Satzspiegel sozusagen vollgestopft. Aber ich glaube, es liegt am Thema und an den Figuren, daß die Sache immer noch nicht so an mich rangeht.

Zum Buch: Es geht im wesentlichen um wirtschaftspolitische Machtspiele. In einer ferneren Zukunft hat sich die Menschheit in diverse Sonnensysteme verbreitet (am interessantesten fand ich die Einleitung mit “was bisher geschah”, gibt’s ähnlich auch online) und politisch auseinanderentwickelt. In einer dieser neuen Gesellschaften sind geklonte Menschen üblich, die zum größten Teil auch psychologisch programmiert für bestimmte Aufgaben sind. Die Firma, die das Fast-Monopol auf diese Technologie und Forschung hat, ist ein Familienunternehmen. Innerhalb des Unternehmens und auch außerhalb kommt es zu jeder Menge Reibereien, was dazu führt, daß die Unternehmensleiterin ermordet wird. Nun wird ein Klon von ihr hergestellt, und sie versuchen, dieses Kind genau denselben Einflüssen auszusetzen, damit hinterher dieselbe Persönlichkeit entsteht (Psychogenese). Erzählt wird aus der Sicht von mehreren Figuren, unter anderem diesem Klonkind (das fand ich am zweitspannendsten), und über einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren. Leider blieben mir alle Figuren emotional fremd, ich konnte eigentlich auch nicht herausfinden, wer nun der Held der Geschichte ist, auf dessen Seite ich stehe beim Lesen. Übrigens bleibt auch der Mord letztlich ungeklärt, weswegen es auch einen Folgeband gibt. Man muß die Autorin wirklich schon sehr mögen und sich für Hardcore-SF und Wirtschaftspolitik interessieren, um das Buch überhaupt erst mal in die Hand nehmen zu können.

Deutschsprachige Ausgabe:
C. J. Cherryh: Cyteen (Der Verrat / Die Wiedergeburt / Die Rechtfertigung). Übersetzt von Michael K. Iwoleit. Heyne, 1990, drei Einzelbände. (1998 in einem Band unter dem Titel Geklont erschienen.)

 


Aktuelle Lektüre:
Immer noch die Heyer, dazu angefangen Der Wurm Ouroboros, ein englischer Fantasyklassiker von 1926 – sehr zäh zu lesen. Und aufm Klo Else Stratmann. Mehr zu all diesen demnächst.

 

 

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